Im Schatten dunkler Mächte
StraÃe abgefangen? Wieso hatte er mir nicht seine Armee geschickt? Jetzt, da ich genauer darüber nachdachte, hatte er mich nur dann versucht gefangen zu nehmen, als ich mich ihm praktisch ausgeliefert und er geglaubt hatte, ich wäre allein â fast als wäre die Gelegenheit zu gut gewesen, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen. Hatte der Lord Master keine Eile, in meine Nähe zu kommen? Fürchtete er meinen Speer, nachdem er gesehen hatte, wie ich Mallucé damit zugerichtet hatte? Ich hatte ihn sehr gefürchtet, nachdem ich Unseelie-Fleisch gegessen hatte. Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben. Aber mit der Stimme könnte er ihn mir ganz leicht abnehmen. Er hatte Alinas freiwillige Mitarbeit gewollt, und jetzt schien er die meine zu wollen. Weil es einfacher war, wenn ich aus freien Stücken half, oder steckte mehr dahinter? Wirkte die Stimme nur bis zu einem gewissen Grad, und er brauchte etwas von mir, was er mir nicht entlocken könnte? Vielleicht â eine böse Vorahnung begleitete den Gedanken â war ich auch nur eine winzige Figur in seinem groÃen Plan, und er hatte bereits andere Arrangements für mich getroffen; es war nur noch nicht der richtige Zeitpunkt. Möglicherweise errichtete er schon einen Käfig für mich. Würde ich eines Morgens aufwachen und direkt hineinlaufen? Mallucé war es gelungen, mich zu täuschen. Ich hatte ihn bis zuletzt für ein Phantasiegebilde gehalten.
Ich verdrängte meine Ãngste, ehe sie sich vermehren konnten. Mir wäre es sicherlich recht, ihm nahe zu kommen. Ich würde ihn töten. Nur dieser grässliche Trick mit der Stimme war eine Barriere, die ich überwinden konnte.
»Also«, drängte ich Barrons, »wann können wir anfangen?« Ich traute ihm nicht über den Weg, aber er hätte in der Vergangenheit oft genug Gelegenheit gehabt, die Stimme bei mir anzuwenden, und hatte es nicht getan. Ich glaubte nicht, dass er sie jetzt benutzen würde, um mir etwas anzutun. Zumindest nicht viel. Der potentielle Gewinn war das Risiko wert.
»Ich werde um zehn Uhr da sein.« Er legte auf.
Um Viertel nach neun war ich mit meiner Erfindung fertig â ich hatte also noch fünfundvierzig Minuten Zeit, bis Barrons kam.
Ich schaltete meine Erfindung an und lehnte mich zurück, um sie zu begutachten, dann nickte ich.
Das sah gut aus.
Na ja, nicht wirklich. Es sah ⦠eigenartig aus, wie ein Ding aus einem Science-Fiction-Film. Aber es funktionierte, und das war das Einzige, was für mich zählte. Ich hatte es satt, dass ich in der Dunkelheit gefährdet war und mir ständig meine Taschenlampen aus den Händen rutschten. Dies hier konnte nicht herunterfallen. Und wenn ich mich nicht irrte, konnte ich damit hoch erhobenen Hauptes durch eine Schattenwand gehen.
Noch stand der finale Test aus.
Eine groÃartige Erfindung, und ich war richtig stolz. Die Idee war mir am Nachmittag gekommen, als nicht viel los war im Geschäft. Ich hatte mich über den riesigenSchatten aufgeregt, und plötzlich ging mir ein Licht auf.
Um Punkt sieben drehte ich das Schild an der Tür um und schloss den Laden, lief die StraÃe hinunter zum Sportwarengeschäft an der Ecke und kaufte alles, was ich brauchte â angefangen vom Fahrradhelm über Batterien, Stützen und Grubenlampen bis hin zu einigen Tuben Superkleber und Klettbändern als zusätzliche VorsichtsmaÃnahme.
Ich schüttelte meine Erfindung, lieà sie fallen, trat dagegen; alles blieb an Ort und Stelle. Superkleber und Klettband â die besten Freunde eines Mädchens.
Sehr zufriedenstellend. Mir blieb noch eine Dreiviertelstunde bis zur Stimmenlektion. Ich hatte also noch genügend Zeit, um einen Testlauf zu starten und mich noch ein wenig frisch zu machen, obwohl mir eigentlich vollkommen gleichgültig war, wie ich aussah, wenn Barrons kam. Aber im tiefen Süden lernen die Frauen schon eins im Kindesalter: Wenn die Welt um einen auseinanderbricht, ist es an der Zeit, die Vorhänge von den Fenstern zu reiÃen und sich ein neues Kleid daraus zu nähen.
Jede glänzende Erfindung braucht einen mitreiÃenden Namen, und mir war genau der richtige für meine eingefallen. Wer brauchte den Armreif des Cruce, um sich mitten unter den Schatten unbeschadet bewegen zu können?
Ich setzte den Fahrradhelm auf und befestigte das Band unter dem Kinn. Er passte wie
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