Im Schatten dunkler Mächte
befreite. Ich sank zu Boden, hielt die beiden Hälften des T-Shirts fest zusammen und zog die Beine an, um den Kopf auf die Knie zu legen. Ein paarmal atmete ich ganz tief durch, dann hob ich den Kopf und sah Barrons an. Er hätte mich jederzeit auf diese Weise gefügig machen, in eine willenlose Sklavin verwandeln können. Genau wie der Lord Master hätte er die Möglichkeit, mich zu zwingen, das zu tun, was er wollte und wann er es wollte. Aber er hatte es nicht getan. Das nächste Mal, wenn ich etwas Schreckliches an ihm entdeckte, würde ich mir sagen: Aber er hat mich nie mit der Stimme zu irgendetwas verführt. Sollte das zu einer der Entschuldigungen werden, die ich immer wieder für ihn finde?
»Was sind Sie?«, platzte es aus mir heraus, ehe ich mich zurückhalten konnte. Ich wusste, dass ich meinen Atem verschwendete. »Warum erzählen Sie mir das nicht einfach und bringen es hinter sich?«
»Eines Tages werden Sie aufhören, danach zu fragen. Ich denke, dann möchte ich, dass Sie es wissen.«
»Können wir meine Kleider bei der nächsten Lektion aus dem Spiel lassen?«, nörgelte ich. »Ich hab nur Sachen für ein paar Wochen dabei.«
»Sie wollten, dass ich Ihre Moral herausfordere.«
»Stimmt.« Ich war nur nicht sicher, ob diese Demonstration dem Zweck gedient hatte, meine Moral auf dieProbe zu stellen, wenn ich vor ihm mein T-Shirt auszog.
»Ich habe Ihnen die unterschiedlichen Grade gezeigt, Miss Lane. Der Lord Master beherrscht das letztere Level, glaube ich.«
»Toll. Verschonen Sie in Zukunft meine wenigen T-Shirts. Es sind nur drei. Ich habe sie immer mit der Hand gewaschen, und die beiden anderen sind grade schmutzig.« Im Barrons Books and Baubles gab es weder eine Waschmaschine noch einen Trockner, und bis jetzt hatte ich mich geweigert, meine Wäsche in den Waschsalon ein paar Blocks weiter zu bringen. Aber früher oder später würde ich das tun müssen, weil Jeans bei der Handwäsche nicht sauber wurden.
»Bestellen Sie sich, was Sie brauchen, Miss Lane. Lassen Sie die Rechnungen auf das Geschäft ausstellen.«
»Wirklich? Ich darf eine Waschmaschine und einen Trockner bestellen?«
»Und Sie können auch die Schlüssel für den Viper behalten. Ich bin sicher, dass Sie für manche Botengänge den Wagen brauchen.«
Ich beäugte ihn argwöhnisch. Hatte ich noch einmal ein paar Monate im Feenreich zugebracht, und es war schon Weihnachten?
Er entblöÃte seine Zähne zu einem Raubtierlächeln. »Bilden Sie sich nur nicht ein, dass ich das mache, weil ich Sie mag. Eine glückliche Mitarbeiterin ist eine produktive Mitarbeiterin, und je weniger Zeit Sie im Waschsalon oder mit anderen ⦠Erledigungen ⦠verplempern, umso mehr Zeit haben Sie für unsere Vorhaben.«
Das machte Sinn. Dennoch â wenn schon Weihnachten war, hatte ich noch ein paar Wünsche mehr aufmeiner Liste. »Ich möchte einen Generator und eine Alarmanlage. Und ich denke, ich sollte auch eine Schusswaffe haben.«
»Steh auf.«
Ich hatte keinen eigenen Willen. Meine Beine taten, was er verlangte.
»Zieh dich um.«
Ich kehrte mit meinem pfirsichfarbenen T-Shirt mit dem Kaffeefleck auf der rechten Brust zurück.
»Stell dich auf ein Bein und hüpfe.«
»Mistkerl«, zischte ich und hüpfte.
»Wenn Sie der Stimme widerstehen wollen«, belehrte er mich, »müssen Sie den Platz in Ihrem tiefsten Inneren finden, den niemand sonst berühren kann.«
»Sie meinen den Sidhe-Seher-Platz?«, fragte ich und hopste wie ein einbeiniges Hühnchen.
»Nein, einen anderen. Alle Menschen haben einen solchen Platz, nicht nur die Sidhe -Seherinnen. Wir werden allein geboren und sterben allein. Diesen Ort meine ich.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiÃ. Deshalb hüpfen Sie.«
Stundenlang hüpfte ich. Ich wurde müde, er nicht. Ich glaube, Barrons hätte den Stimmenzauber die ganze Nacht aufrechterhalten können, ohne auch nur eine Spur erschöpft zu sein.
Vermutlich hätte er mich bis zum Morgengrauen auf einem Bein hüpfen lassen, doch um Viertel vor eins klingelte mein Handy. Ich dachte sofort an meine Eltern, und das musste Barrons meinem Gesicht angesehen haben, weil er mich augenblicklich von seiner Magie befreite.
Ich war so lange herumgehopst, dass ich noch auf einem Bein zu meiner Handtasche
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