Im Schatten (German Edition)
ein, das seit mehr als einem Jahr ihr stetiger Begleiter war. Entschlossen öffnete sie den Verschluss und ließ es in ihre Hand fallen, ging zu ihrem Arbeitsplatz und warf es in die hinterste Ecke ihrer oberen Schreibtischschublade.
*
Sie schwiegen, und Katherine konnte den tiefen Schmerz in Marks Gesicht sehen. Schließlich fragte sie:
» Sie hat sich auch von dir verabschiedet, nicht? Sie hat in ihrem Tagebuch davon geschrieben.« Mark nickte.
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03 . Februar 2007
Es ist schon ein komisches Gefühl, mit allem abgeschlossen zu haben. Gestern Mittag war ich mit Norman in der Stadt. Wir haben ein bisschen gebummelt und dann einen Kaffee zusammen getrunken. Ich habe ihn nach seinen Zukunftsplänen gefragt, aber er ist sich noch nicht ganz sicher. Am Abend bin ich mit Kathy eine Pizza essen gegangen. Ihr geht es gut, und sie fühlt sich wohl mit ihrem Studium und der kleinen Wohnung. Ich bin sicher, die Zwei werden ihren Weg gehen. Nach dem Essen war ich bei Mark. Ich wollte mich verabschieden. Von ihm, von einem Traum. Ich wollte es noch einmal spüren. Dieses eine Mal und dann nie wieder. Warum nur kann ich, nach allem, war passiert ist, immer noch nicht aufhören, ihn zu lieben? Ich schaffe es nicht, mich von ihm zu lösen. Immer wieder habe ich es versucht, aber ich kann es nicht, komme nicht von ihm los. Mein Leben geht immer weiter kaputt. Ich muss einen Schlussstrich ziehen. Und es gibt nur eine Möglichkeit. Bitte verzeiht mir.
Valerie war nervös, als sie klingelte. Bereits einen kurzen Moment später hörte sie den Summer und öffnete die Tür. Sie ging die Stufen zur Wohnung hoch und sah in das erstaunte Gesicht von Mark.
» Valerie! Komm rein.« Schweigend trat sie ein. Doch er nahm die Gelegenheit gleich wahr: »Ich bin so froh, dass du da bist. Ich muss dringend mit dir reden.« Das hatte er in den letzten Tagen so oft gesagt. Doch sie hatte immer abgewinkt, zu müde und erschöpft für endlose Diskussionen. Auch heute wollte sie etwas anderes. Sie hatte ihm bereits gesagt, ihre Affäre sei zu Ende, doch heute wollte sie ihn noch einmal spüren, zum letzten Mal. Daher sagte sie leise zu ihm:
» Ich kann heute nicht reden. Ich brauche dich einfach nur. Bitte halt mich fest.«
Also nahm er sie schweigend in den Arm. Eine Weile standen sie so da, ohne sich zu rühren, doch dann begannen sie, sich gegenseitig zu streicheln und zu küssen. Er war vorsichtig mit ihr, als hätte er Angst, sie zu verscheuchen. Sie sprachen kein Wort, liebten sich nur unendlich sanft, als sollte es für die Ewigkeit reichen. Nur einmal murmelte er ein paar Worte an ihr Ohr, doch sie konnte sie nicht verstehen.
Sie schlich sich davon, als er erschöpft eingeschlafen war. Noch einmal hatte sie ihn betrachtet, noch einmal sanft über seinen schönen Körper gestrichen, noch ein letztes Mal seine Lippen berührt. Dann war sie gegangen. In dieser Nacht schlief sie nicht. Sie hatte noch Ewigkeiten Zeit zum Schlafen. Sie griff zu ihrem Tagebuch und schrieb die letzten Zeilen hinein. »Bitte verzeiht mir.« Ja, sie hoffte, sie würden ihr verzeihen. Verstehen würden sie nicht. Wie konnten sie auch? Sie wusste, sie würde die Menschen verletzen, die sie liebte, doch sie konnte nicht anders. Konnte den Schmerz nicht länger ertragen. Alles war zusammengebrochen, ihre geliebte Arbeit, die Familie war nur eine Fassade und der Mann, dem ihre Liebe gehörte, war kaltherzig und egoistisch. Sie sah aus dem Fenster. Es wurde schon wieder hell. Sollte sie es jetzt tun? Aber dann wüsste niemand, wo sie war. Vielleicht würde sie tagelang nicht gefunden werden. Na und? Hoffte sie etwa darauf, jemand würde sie noch rechtzeitig finden? Ungeduldig schüttelte Valerie den Kopf, legte das Tagebuch tief in die Schublade ihres kleinen Schränkchens, in dem sie ihre wenigen persönlichen Sachen aufbewahrte, verließ das Wohnzimmer und ging ins Bad, um eine letzte Dusche zu nehmen. Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man alles, was man tat, bewusst zum letzten Mal machte. Sie wollte sich gerade ausziehen, als sie sich eines Besseren besann. Sein Duft lag noch immer auf ihrer Haut und so sollte es bleiben, bis zum Schluss. Und wenn es das Einzige war, was ihr blieb. Sie ging zurück ins Wohnzimmer und sah geduldig aus dem Fenster. Norman war nicht nach Hause gekommen. Umso besser. Sie hatte was sie brauchte bereits gestern Morgen zurechtgelegt, versteckt. Merkwürdig ruhig wartete sie auf den Tag.
» Warst du gar nicht im Bett?«,
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