Im Schatten (German Edition)
Büro, unsere Familie wäre zerbrochen. Es wäre nicht gegangen.«
» Nein, ich denke nicht, dass es so gekommen wäre. Ich habe mich schon Monate vor Valeries Tod von meiner Frau getrennt. Eigentlich hatte ich das Wochenende bei ihr verbringen wollen. Aber am Tag vorher bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mich entscheiden muss. Also habe ich am Freitag mit Connie geredet. Es kam nicht überraschend, und sie hatte keine Probleme damit. Es war nur die logische Konsequenz. Danach bin ich wieder nach Hause und hab den Rest des Wochenendes mit Valerie an der Nordsee verbracht. Dein Vater und dein Bruder waren im Urlaub. Ich habe ihr ein paar Mal ans Herz gelegt, selbst über eine Trennung nachzudenken. Ich wollte sie nicht drängen, deshalb habe ich ihr noch nichts erzählt. Das war wohl ein fataler Fehler. Statt ihr zu sagen, wie sehr ich sie wollte, habe ich sie schmoren lassen und damit in den Tod getrieben. Das hat sie einfach nicht verdient.«
» Und die Firma? Was wäre daraus geworden?« Mark zuckte die Schultern.
» Was schon. Privates und Geschäft sind doch zweierlei. Valerie war meine beste Kraft, das wusste jeder. Ob ich privat mit ihr zusammen war, war doch davon vollkommen unabhängig.«
» Und der Altersunterschied? Hat dich das nicht gestört?«
» Nein, warum? Wenn ein Mann älter ist als die Frau, macht sich doch auch keiner einen Kopf darum.«
» Das ist doch ganz etwas anderes«, konterte Katherine, aber Mark wehrte ab:
» Wieso soll das etwas anderes sein? Die Ansprüche, die Männer und Frauen an ihre Partner stellen, sind doch gleich. Frauen mögen auch gern gutaussehende Männer anschauen und Männer können sich durchaus damit arrangieren, dass die Frau an ihrer Seite nicht ewig wie zwanzig aussieht.«
Eine Weile blieben sie noch zusammen dort am Grab hocken. Plötzlich hörten sie Schritte und sich nähernde Männerstimmen. Schnell standen sie auf und Mark wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Kurze Zeit später kam Werner begleitet von Sven um die Ecke.
» Wir haben uns kurz vor dem Eingang getroffen«, erklärte Sven, der sich während des Gespräches zwischen den beiden außer Hörweite begeben hatte. Katherine stellte Mark ihrem Vater kurz vor.
» Ja, ich erinnere mich an Sie. Von der Beerdigung. Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie meine Frau besuchen«, sagte Werner leise. Plötzlich fasste Katherine einen Entschluss.
» Papa, ich weiß jetzt, warum Mama gegangen ist.« Sie sah abwechselnd in die Gesichter der drei Männer. Marks Kopf war gesenkt und sein Gesicht angespannt. Man hatte das Gefühl, als wartete er auf das Todesurteil, mit dem er sich schon abgefunden hatte. Sven sah sie neugierig und ermunternd an, während in dem Gesicht von Werner ein kleiner Hoffnungsschimmer mit Angst rang.
» Es war nicht deine Schuld, Papa. Niemand hatte Schuld.« Marks Kopf schnellte nach oben, und er starrte sie an, doch Katherine fuhr unbeirrt fort: »Wir hätten sie ohnehin verloren. Sie war schwer krank. Niemand konnte ihr mehr helfen. Vermutlich wollte sie sich und uns viel Leid ersparen.« Erneut sah sie abwechselnd in die drei Gesichter. In Werners Augen stand Bestürzung, aber auch ein Schimmer der Erleichterung. Sven zeigte ihr mit einem kleinen Lächeln Zustimmung und in Marks Gesicht war Dankbarkeit, aber auch Scham und Überraschung zu erkennen. Bevor irgendeine Frage gestellt werden konnte, erzählte sie weiter: »Ich werde dir in ein paar Tagen alles in Ruhe erklären.« Wenn ich Zeit hatte, mir eine plausible Geschichte auszudenken , dachte sie.
» Aber warum hat sie nichts gesagt? Keinen Abschiedsbrief, nichts.«
» Ich weiß nicht, Papa. Ich kann nur vermuten, dass sie unser Mitleid nicht wollte. Sie war immer eine starke Frau. Und vielleicht war es ein ganz spontaner Entschluss und sie hatte Angst, den Mut zu verlieren, wenn sie es nicht gleich in die Tat umsetzte.« Sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm und drückte ihn leicht.
» Mach ihr bitte keine Vorwürfe. Gönne ihr den Frieden.« Werner nickte. Sie ließen ihn dort auf seine Bitte hin allein zurück, damit er seinen Frieden mit seiner Frau machen konnte. Schweigend gingen sie zum Ausgang zurück. Dort blieben sie stehen, und Mark fragte sie:
» Warum hast du ihm nicht die Wahrheit gesagt? Warum hast du ihm nicht gesagt, dass es meine Schuld ist.«
» Die Wahrheit. Was ist denn schon die Wahrheit? Du bist doch nicht verantwortlich für Mamas Tod. Es war so vieles auf einmal. Sie war
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