Im Schatten (German Edition)
Erzählungen von Herrn Burzig, aber hatte noch keinen von Ihnen gesehen.«
Nun wurde Valerie richtig neugierig. »Was hat er denn von uns erzählt?«
Mark lächelte. »Thomas, der eher ruhige Typ, aber immer offen für neue Ideen. Harald meist überschäumend, muss manchmal ausgebremst werden, damit es nicht zu verrückt wird. Gesa, noch relativ unerfahren, aber voll guter Idee. Man muss ihr nur gelegentlich unter die Arme greifen, damit es in die richtige Richtung geht. Peter, der Besonnene, den nicht einmal die kompliziertesten Berechnungen aus der Ruhe bringen können. Andrea, die superfleißige, die allein zwei Kinder satt kriegen muss. Er hat mich gebeten, wenn sie Probleme zu Hause hat, darauf Rücksicht zu nehmen, weil sie sonst immer zuverlässig ist und es hundertmal wieder wettmacht. Annabelle, still und unauffällig, ganz anders als Christina, die flippige aber gute Fee. Ich musste mich erstmal daran gewöhnen, meine Berichte nicht mehr selbst zu schreiben, sondern einfach nur zu diktieren. So einen Luxus gab es bei Herrn Weigelt nicht.«
Valerie fand alle sehr passend beschrieben. Nur eine fehlte noch.
»Was ist mit mir? Hat er nichts über mich erzählt?«
»Doch.« Mark lächelte sie warm an. »Und ich kann es nur bestätigen. Sie sind das Herzstück der Firma. Und das sowohl arbeitstechnisch als auch menschlich.«
Ihr wurde ganz warm ums Herz bei diesen Worten.
»Aber«, gab sie zu bedenken, »irgendwie haben Sie bei der Vorstellung damals auf mich den Eindruck gemacht, als wären Sie überrascht gewesen und hätten sich jemand ganz anderes vorgestellt.«
Mark verzog ein wenig den Mund und machte beinahe den Eindruck, etwas verlegen zu sein. Er dachte eine Weile nach, bevor er antwortete:
»Das stimmt auch. Es ist … ich weiß nicht genau, wie ich es ausdrücken soll. Sie sind der Mittelpunkt der Abteilung. Das stimmt absolut. Sie führen das Kommando, nicht nur über die Mädels. Jeder hört auf Ihren Rat, und außerdem haben Sie für jeden ein offenes Ohr. Also, wenn man das so hört, stellt man sich einen ganz lieben und kompetenten Menschen vor, was Sie auch sind. Aber, na ja, also«, begann er zu stottern, »nicht unbedingt eine Frau.«
» Was?!«, fragte Valerie irritiert. »Was haben Sie erwartet, als Sie von ›Frau Zieglow‹ gehört haben? Einen Transvestiten?«
Nun musste Mark lachen.
»Nein, an so was habe ich bestimmt nicht gedacht. Es ist nur so: Es gibt Leute, die sieht man einfach als Mann oder Frau. Andere sind für einen in erster Linie Mensch, und das Geschlecht spielt dabei keine Rolle, verstehen Sie?«
» Nicht so ganz«, gab Valerie zu, und so versuchte Mark es zu erklären:
» Also Thomas beispielsweise. Der ist für mich einfach ein Mensch, und ich mache mir keine Gedanken darüber, ob er Männlein oder Weiblein ist. Harald dagegen passt in das Schema ›Mann, Kumpel, Biertrinken‹.« Die letzten drei Worte sprach Mark in leicht tumben Tonfall aus, und Valerie musste lachen. Er lächelte sie aufmunternd an, als bäte er um Zustimmung, und sie nickte.
» Ja, ich verstehe. Und Tina beispielsweise: ›Frau, …‹.« Sie machte eine Handbewegung, die ein »Punkt, Punkt, Punkt« bedeuten sollte, und nun lachte Mark auf.
» Ja, in der Tat. Das lässt sich wohl weder leugnen noch verhindern.«
» Und was haben Sie bei mir erwartet?«, fragte Valerie nun tatsächlich neugierig geworden.
» Als Herr Burzig von Ihnen erzählt hat, habe ich eigentlich in erster Linie einen Menschen erwartet, so wie Thomas oder Andrea, aber nicht das. Und da war ich schon ziemlich überrascht.«
Nun war Valerie vollkommen verblüfft.
»Aber wieso das denn? Niemand würde auf die Idee kommen, mich für besonders weiblich zu halten. Ich meine, ich habe ja nun wirklich keine nennenswerten …« Sie machte eine Handbewegung, die einen überdimensional großen Busen andeutete. Doch Mark entgegnete trocken:
» Wenn ihr Frauen nur daraus bestehen würdet, wären wir Männer arme Schweine. Sie sind eine außergewöhnlich attraktive Frau, Valerie. Und Sie haben eine unglaubliche Ausstrahlung: warm, weich und enorm weiblich.«
Vor Verlegenheit starrte Valerie auf ihren Teller und aß eine Weile schweigend, doch sie spürte seinen Blick intensiv auf sich ruhen. Ohnehin schon nervös durch das eben Gehörte fragte sie:
» Was ist?«
» Sie sind wunderschön.«
Das Blut schoss ihr ins Gesicht, und sie sagte ungeduldig: »Unsinn!«
»Nein, kein Unsinn. Sie sind wunderschön. Hat Ihnen das
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