Im Schatten (German Edition)
noch niemand gesagt?«
» Nein.«
» Ihr Mann ist ein Dummkopf.«
» Und Sie sind ein charmanter Lügner.« Mark lächelte.
» Man kann mir viele Fehler vorwerfen. Aber nicht, dass ich lüge.«
In Valerie tobten jede Menge Gefühle. Auf der einen Seite freute sie sich über die unerwartete Aufmerksamkeit und das Kompliment. Auf der anderen Seite fragte sie sich, ob Mark sie veralbern wollte. Und gleichzeitig wünschte sie sich, er meinte es tatsächlich so. Dieses Gefühlschaos ließ sie wütend reagieren:
»Ich bin nicht schön! Ich bin alt und viel zu dick. Und außerdem war ich auch in jungen Jahren keine Schönheit!«
Doch Mark ließ sich nicht beirren: »Also gut, dann wollen wir das mal analysieren. Sie sind alt und dick, ja? Okay, Sie sind keine siebzehn mehr, aber wollen Sie das?« Valerie schüttelte den Kopf. »Na also. Okay, ich gebe zu, Sie haben die magische Grenze überschritten. Oder besser: eine der vielen magischen Grenzen, die Frauen sich setzen. Na und? Wo ist das Problem? Sie interessieren sich doch auch nicht mehr für zwanzigjährige Jungs, oder? Warum wollen Sie, dass die sich für Sie interessieren? Die Menschen, für die wir uns interessieren, werden doch mit uns älter.« Natürlich hatte Mark recht, wenn Valerie sich auch bestürzt eingestehen musste, dass sie zwar keine zwanzigjährigen, sehr wohl aber fünfunddreißigjährige Jungs beeindrucken wollte. »Außerdem«, fuhr Mark fort, »habe ich mit Sicherheit einige Falten mehr als Sie.« Valerie lachte und er analysierte weiter: »Sie haben wunderschöne Augen.« In dem Punkt musste Valerie ihm zustimmen. Ihre Augen waren wirklich das Einzige an ihr, was ihr von jeher gefallen hatte. »Sie haben eine schmale, gerade Nase und schöne Lippen. Alles passt gut zusammen, die Gesichtsform, die Ohren. Sie haben schönes Haar, und ihre Figur ist vollkommen in Ordnung. Okay, Sie haben nicht mehr Kleidergröße vierunddreißig. Aber maximal achtunddreißig, stimmt’s?«
» Früher hatte ich zwei Nummern weniger.«
» Na und? Glauben Sie wirklich, Männer finden dürre Klappergestelle attraktiv? Dieser ganze Wahn mit den Schönheitsidealen ist doch totaler Blödsinn. Glauben Sie wirklich, die ganzen Models haben von Natur aus so eine Figur? Das ist oft mit ziemlich einseitiger Ernährung und hartem Training verbunden. Und das ist nicht gerade gesund. Und nicht selten wird da auch künstlich nachgeholfen. Die wenigsten Menschen haben eine Idealfigur.«
» Na, Sie auf jeden Fall«, rutschte es Valerie heraus, und Mark lachte.
» Danke für die Blumen. Aber ich habe auch keine Kinder bekommen. Es scheint übrigens eine typische Frauenkrankheit zu sein, dass sie ihre eigenen Vorzüge nicht erkennen. Ich habe neulich beispielsweise gelesen, dass Angelina Jolie findet, sie sehe merkwürdig aus und gar nicht versteht, was die Leute so toll an ihr finden.«
» Na ja, besonders toll finde ich sie auch nicht mit ihren Wulstlippen«, gestand Valerie, und Mark musste wieder lachen. Sie unterhielten sich noch eine Weile und frotzelten und lachten über den einen oder anderen Prominenten, und ihre Stimmung wurde immer ausgelassener. Schließlich fragte Valerie:
» Wie gefällt es Ihnen eigentlich bei uns?«
» Och, ganz gut im Großen und Ganzen. Die Arbeit ist interessant, die Kollegen sind in Ordnung, der Kaffee schmeckt ausgezeichnet.« Mark grinste. »Bis auf die Tatsache, dass meine erste Zeichnerin mich partout nicht den Chef spielen lässt, ist es okay.«
» Das muss man sich ja auch erstmal verdienen«, entgegnete Valerie schnippisch, woraufhin Mark zu betteln begann: »Sagen Sie mir, was ich tun soll. Ich bin zu allem bereit.«
» Aha?!«, meinte Valerie. »Das ist aber ein ziemlich gefährliches Angebot.«
» Okay«, lenkte Mark ein, »alles außer einer Gehalterhöhung«, und zwinkerte ihr zu.
Valerie wusste selbst nicht, warum, doch es machte, ihr ungeheuer viel Spaß, mit diesem Mann zu flirten. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich ganz als Frau und nicht nur als geschlechtslose Arbeitsbiene. Schließlich wurde es Zeit zu gehen, und Mark holte die Kellnerin heran, doch als Valerie ihr Essen bezahlen wollte, winkte er ab. Sie protestierte, aber er meinte nur ruhig:
» Irgendjemand muss Sie ja ein bisschen verwöhnen, wenn Ihr Mann das schon nicht tut.«
Tatsächlich tat es ihr unglaublich gut, einmal so behandelt zu werden, und sie genoss es bis zur letzten Minute, bis er sie zurück an ihren Schreibtisch geführt und
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