Im Schatten (German Edition)
wenigstens freundlich gewesen.
» Tina hat erzählt, das Klima im Büro sei super. Mama war immer fröhlich, gut drauf, hatte immer einen Scherz auf Lager, hat sie gemeint. Und wenn man mal Probleme hatte, egal ob privat oder dienstlich, konnte man immer zu ihr kommen.«
» Hast du sie auch nach Mark gefragt?«, wollte Sven wissen.
» Ja. Tina meinte, die beiden sind ganz gut miteinander ausgekommen. Sie war eine gute Assistentin. Er hatte sehr viel Vertrauen zu ihr und es schien so eine Art Freundschaft zwischen ihnen entstanden zu sein. Mehr konnte es definitiv nicht sein, Mama sei ja viel zu alt für ihn gewesen.« Angesäuert verzog Katherine das Gesicht. »Sie hätte da mal was beobachtet zwischen den beiden, aber das kann nur freundschaftlich gewesen sein, meinte Tina.« Und sehr leise fügte sie hinzu: »Die dumme Gans.«
*
04 . Juni 2007
Beinahe wäre es aufgeflogen, zumindest im Büro. Wir wurden Hände haltend, gemeinsam mit einer Gabel Salat essend beim Gespräch erwischt. Mark ist ganz cool geblieben. Hat mich auch weiter geduzt und so getan, als wäre alles normal. Aber Tina kann noch Probleme machen. Sie vor allen anderen. Ich glaube, sie ist in ihn verknallt. Wen wundert’s?
Das Büro war beinahe leer. Die anderen Kollegen waren zur Mittagspause unterwegs, doch Valerie hatte sich vom Pizzaservice einen Salat bringen lassen, saß nun an ihrem Schreibtisch und ließ ihn sich schmecken. Mark war in seinem Büro und telefonierte mit ernster Miene. Nach einiger Zeit kam er heraus, stellte sich neben sie und lehnte sich an ihren Tisch. Er sah sie mit traurigem und besorgtem Blick an.
» Sieht lecker aus.« Er wies auf den Salat. Sie füllte eine Gabel und steckte sie ihm in den Mund. Anerkennend hob er die Augenbrauen, während er kaute.
» Ich muss dich morgen allein nach Leipzig schicken«, sagte er, als er den Mund leer hatte.
» Was?! Das kannst du doch nicht machen.« Entsetzt starrte sie ihn an. Natürlich erledigte sie ihre Aufgaben ohne seine Hilfe, doch ihn von heut auf morgen in so einem großen Projekt auch noch zu vertreten, war eine ganz andere Sache. Nun nahm Mark ihr die Gabel aus der Hand, füllte sie, während er sprach, und fütterte sie.
» Meine Mutter hat gerade angerufen. Mein Vater hatte einen Herzinfarkt. Er ist im Krankenhaus.« Nun nahm er sich selbst wieder eine Gabel voll. Valerie sah ihn beinahe starr vor Entsetzen an.
» Das tut mir leid. Wie geht es ihm?«
» Ich weiß es noch nicht. Es ist vor einer Stunde passiert. Ich werde gleich hinfahren.«
Valerie wollte etwas sagen, doch die nächste Portion Salat landete in ihrem Mund.
» Sie wohnen knapp zweihundert Kilometer von hier. Ich hoffe, ich komme nicht zu spät.« Seine Stimme klang leise und traurig. Geistesabwesend nahm er wieder eine Gabel voll.
» Du schaffst es schon.« Instinktiv ergriff sie seine freie Hand, und er erwiderte ihren Händedruck, während er sprach:
» Es tut mir leid, dass ich dich mit der Geschichte allein lasse. Aber du packst das, davon bin ich fest überzeugt. Wenn es einer kann, dann du.«
V alerie wollte gerade etwas erwidern, als sie sah, dass Tina mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund in der Eingangstür stand und sie anstarrte. Als leise Warnung trat Valerie vorsichtig auf Marks Fuß. Ein leises Nicken zeigte ihr, er hatte verstanden. Ungerührt schob er erst sich, dann Valerie noch eine Gabel voll Salat in den Mund, legte das Besteck dann zur Seite, drückte noch einmal Valeries Hand und löste sich dann.
» Du kriegst das hin. Und wenn es Probleme gibt, erklärst du ihnen die Sachlage und bittest um eine Woche Aufschub. Ich hoffe, ich bin in zwei, drei Tagen zurück.«
Er stand auf und ging zu seinem Büro. An der Tür drehte er sich noch einmal um:
»Wenn du fertig bist, kommst du dann noch mal rein, dass ich dir die wichtigsten Sachen erklären kann?« Inzwischen waren auch Annabelle und Andrea wieder zurück und hatten staunend die letzte Anweisung gehört. Tina fand als Erstes die Sprache wieder.
» Du duzt den Chef?«
» Ja, und? Hast du Probleme damit?«, fragte Valerie schnippisch.
» Und isst mit ihm von einer Gabel?«
» Oh! Jetzt bekomme ich bestimmt Aids und Krebs und all so was.« Schnell verschloss sie die Salatdose, nahm sich etwas zu schreiben und verschwand in Marks Büro.
Als Valerie vom Flughafen zurück ins Büro fuhr, war sie beinahe euphorisch. Alles hatte entgegen ihrer Befürchtung gut geklappt. Fragen waren beantwortet
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