Im Schatten (German Edition)
Stimme einen möglichst neutralen Klang zu geben, denn schließlich war sie nicht allein im Büro. Doch sie registrierte nicht wenig erfreut, dass er offensichtlich allein im Auto saß und seine Frau ihn anscheinend nicht zu seinen Eltern begleitet hatte. Und so machte sie um vier Uhr ihren Computer aus und packte ihre Sachen zusammen.
» Richtig so«, kommentierte Tina ihren ungewöhnlich frühen Aufbruch. »Nutz es aus, dass der Chef nicht da ist, und mach endlich mal pünktlich Feierabend.«
» Genau das habe ich vor«, antwortete Valerie und versuchte ein entspanntes Lächeln. »Da kann ich endlich mal ein paar Besorgungen erledigen.«
Ihr Herz hämmerte immer noch , und sie war von Vorfreude erfüllt, als sie an seiner Tür klingelte. Und die wurde gleich noch größer, als er sie mit einem ausgiebigen Kuss begrüßte. Auf dem Weg in sein Zimmer fragte er, wie es ihr ginge und sie antwortete:
» Gut. Es hat alles wunderbar geklappt in Leipzig.« Bisher waren sie noch nicht dazu gekommen, darüber zu sprechen und auch jetzt brachte er sie zum Schweigen, indem er ihr sanft einen Finger auf die Lippen legte, während er sie mit der anderen Hand zu sich heranzog.
» Schscht, darüber können wir uns morgen unterhalten. Dafür habe ich dich nicht hergebeten.« Und wieder küsste er sie lang und innig. Valerie spürte plötzlich die ganze Wucht ihres Verlangens nach ihm und wünschte sich nur noch, ihn in sich aufzunehmen. Sie konnte nicht lange bleiben, wenn sie zu spät nach Hause kommen würde, schöpfte Werner unter Umständen doch Verdacht. Doch für die nächsten zwei Stunden zumindest wollte sie es genießen, jung, frei und verliebt zu sein, auch wenn nur eines davon stimmte.
Es bereitete ihr ziemliche Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Zwar hatte sie es geschafft, ihr Haar und ihr Make-up wieder einigermaßen zu richten, dennoch waren ihre Wangen gerötet und auch ihre Lippen zeigen deutliche Spuren ungewohnter Küsse. Dieses Mal hatten sie wesentlich mehr Zeit gehabt als sonst, wenn sie bei ihm zu Hause gewesen war, und hatten diese auch ausgenutzt. Ihr war schon früher aufgefallen, dass er Küssen offensichtlich ganz besonders liebte, und er hatte es an diesem Tag noch mehr ausgekostet als sonst. Plötzlich wurde ihr etwas bewusst: Sie war nicht die geborene Betrügerin und hatte die Wahrheit immer als eins der sorgsam zu schützenden Güter betrachtet. Doch heute, hier und jetzt hatte sie ganz bewusst betrogen. Wenn es spontane, nicht geplante Ereignisse gewesen waren, die sie zwar willig mitgetragen hatte, die sie dennoch oft überrascht, ja beinahe überfahren hatten, waren bisher keine Schuldgefühle bei ihr aufgekommen. Doch an Nachmittagen wie diesem, wenn sie mit vollem Bewusstsein, was passieren würde, geplant, gewollt zu Mark fuhr, war es etwas ganz anderes. Und die Gefahr, erwischt zu werden, war angesichts der deutlichen Spuren nicht zu verleugnen. Dieses Mal fühlte sie sich wirklich als Ehebrecherin und es half auch nichts, sich immer wieder daran zu erinnern, wie oft sie selbst betrogen worden war. Nun endlich regte sich tatsächlich das schlechte Gewissen in ihr. Sie fühlte sich schuldig und gar nicht mehr euphorisch. Und gleichzeitig wünschte sie sich, noch immer in Marks Armen zu liegen und seine sanften, fordernden und auch kraftvollen Berührungen zu spüren. Doch sie war allein, unsicher und nervös. Mit zittrigen Händen schloss sie die Wohnungstür auf und musste sich gleich darauf dem Unvermeidlichen stellen, denn bereits im Flur traf sie auf ihren Mann, der ihr entgeistert ins Gesicht sah. Es war ihr großes Glück, dass in dem Moment Norman aus seinem Zimmer kam. Auch er sah sie irritiert an und fragte dann:
» Mensch Mama, wie siehst du denn aus? Hat dich ein Elch geknutscht, oder nervt wieder deine Allergie rum?« Darauf war Valerie noch gar nicht gekommen, und sie hätte Norman um den Hals fallen können. So antwortete sie spontan:
» Ich weiß nicht, ob es die Allergie oder eine herannahende Erkältung ist. Auf jeden Fall kribbelt es schon den ganzen Tag, und ich nies mich um die Ecke. Mein Kopf dröhnt auch wie doll. Ich glaube, nach dem Essen lege ich mich aufs Sofa.«
Damit hatte sie sich erst einmal gerettet, denn so konnte sie sich schnell zurückziehen, ohne Verdacht zu erregen.
In der Nacht schlief sie schlecht, denn das schlechte Gewissen nagte noch immer an ihr. Müde stand sie am Morgen auf und sah nun tatsächlich ein wenig krank aus.
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