Im Schatten (German Edition)
Sonderrechte. Ich hab nicht das Recht und auch keinen Grund meinen Frust an dir abzulassen. Entschuldige bitte.« Sie nickte zögerlich. Insgeheim fragte sie sich, was schlimmer war. Seine Ungerechtigkeit oder sein Bedauern darüber. Vielleicht wäre ihr zukünftiges Leben viel einfacher, wenn sie ihn einfach als arroganten Idioten hätte abtun können.
1 5. Mai 2007
Das Wetter schien es gut mit ihnen zu meinen. Der Winter war viel zu milde und feucht gewesen, und alle hatten auch noch im März vergeblich auf den Kälteeinbruch gewartet, der jedoch erst Anfang April gekommen war. Zum Ende hin hatte sich der Monat dann von der allerbesten Seite gezeigt. Es war schon beinahe hochsommerlich warm gewesen, und während es in Norddeutschland im Mai wettertechnisch wieder schlechter geworden war, war es in Leipzig oft viel wärmer und ansprechender. Hier verbrachte jeder so viel Zeit wie möglich im Freien. Auch Valerie und Mark ließen es sich nicht nehmen, den Nachmittag bei einem ausgiebigen Spaziergang zu genießen. Der Tag vorher war sehr anstrengend gewesen. Wieder einmal hatte Valerie ihr ganzes Können unter Beweis stellen müssen. Hektische Telefonate, kurzfristiges Organisieren und nicht zuletzt nervtötende Diskussionen mit den Bauleuten waren an diesem Tag ihre Hauptbeschäftigung gewesen. Erst spät waren sie von der Baustelle gekommen, hatten gemeinsam gegessen, waren dann zur Entspannung noch ins Kino gegangen und dann ins Bett. Am heutigen Morgen war eine Besprechung mit dem Auftraggeber angesetzt worden und sie hatten sich schon darauf eingestellt, den Tag erst am späten Abend zu beenden. Wider Erwarten war dann alles reibungslos verlaufen, und sie hatten sich noch vor dem Mittag von Herrn Huber verabschiedet. Nach einem gemeinsamen Essen und einem letzten Kontrollgang auf der Baustelle hätten sie versuchen können, einen früheren Flieger nach Hause zu bekommen. Doch sie waren stillschweigend übereingekommen, die zwei Stunden unerwartete Freizeit gemeinsam zu verbringen. Nun liefen sie nebeneinander her, Mark seine Hände lässig in den Hosentaschen, Valerie eine an der Handtasche, die andere in der Tasche ihrer leichten Weste, und unterhielten sich. Ab und zu warfen sie einen Blick in ein Schaufenster, einmal holten sie sich etwas bei einem Bäcker und aßen es auf der Straße, und schließlich blieben sie neugierig vor einer Zoofachhandlung stehen. Die Auslagen waren ganz anders als bei anderen Zoogeschäften üblich. Im Fenster waren große Terrarien ausgestellt, mit lebenden Tieren. In einem der Becken ließ sich eine junge Boa lässig über einen Ast hängen, und Valerie beobachtete sie fasziniert.
» Sie mag dich leiden«, raunte Mark ihr zu.
» Sie kann mich ja gar nicht erkennen«, entgegnete Valerie.
» Wieso?«, fragte er etwas verunsichert.
» Weil sie nicht richtig gucken kann.«
» Stimmt«, fachsimpelte er nun grinsend. »Ist ja keine Brillenschlange.«
Valerie stöhnte auf.
» Männer! Eure Logik ist wirklich zu blöd.«
Doch dann musste auch sie lachen. Um es nicht ganz so deutlich zu zeigen, schaute sie konzentriert ins Schaufenster. Dort war allerlei Getier : Die Schlange hatte noch zwei Kumpel, Geckos waren in anderen Terrarien und ein sehr hohes, schmales Becken beherbergte eine große Anzahl an Stabschrecken und lebenden Blättern. Valerie sah sich alles sehr interessiert an. Plötzlich sprang sie mit einem spitzen Schrei zurück und trat dabei Mark, der schräg hinter ihr stand, voll auf den Fuß.
» Aua! Was ist denn mit dir los?«
Er war beinahe so erschrocken wie sie. Vollständig blass und mit zitternden Fingern zeigte sie auf ein kleines Terrarium, in dem sich ein ziemlich beachtliches Exemplar eines haarigen Achtbeiners befand. Mark sah sich das Tier an, dann auf die völlig verstörte Valerie und dann … ja dann begann er so unbändig zu lachen, als hätte er gerade den besten Witz seines Lebens gehört. Er lachte, bis er sich die Seite halten musste. Valerie, die seinen Anfall weder nachvollziehen noch einordnen konnte, ballte schließlich eine Hand zur Faust und stieß sie ihm in die Rippen. Er aber lachte weiter und nach dem zweiten Boxhieb griff er nach ihren Handgelenken, zog sie an sich, so dass ihre immer noch geballten Fäuste zwischen ihnen lagen, und nahm sie in den Arm. Endlich kam er ein wenig zur Ruhe und fragte ungläubig:
» Du kloppst dich haufenweise mit Bauleuten herum, faltest die auf eine Größe zusammen, dass sie unterm Teppich
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