Im Schatten (German Edition)
zu bieten, als nur ihr gutes Aussehen!«, schnappte Katherine plötzlich wütend und fühlte sich dabei schuldbewusst an die Worte erinnert, die Mark ihr entgegengeschleudert hatte.
» Da hast du recht«, erwiderte Werner traurig. »Auch wenn ich es jahrelang übersehen habe. Oft begreift man erst dann, was man hatte, wenn man es verloren hat.«
Nein, sie würde ihrem Vater noch nicht von Valeries und Marks Verhältnis erzählen. Er hatte auch recht, das allein konnte nicht der Grund für ihren Freitod sein. Und solange sie nicht die ganze Wahrheit wüsste, würde sie das Andenken ihre Mutter nicht besudeln, indem sie ihr Geheimnis in die Welt hinausposaunte.
*
02 . Juli 2007
Den Weg zur Arbeit trat Valerie an diesem Tag mit einem deutlichen Gefühl der Anspannung an. Heute sollte die neue Kollegin ihre Arbeit aufnehmen. Valerie erinnerte sich noch gut an den Tag, als Mark ihr von der geplanten Neueinstellung erzählt hatte. Eines Morgens vor knapp einem halben Jahr hatte er sie in sein Büro gerufen. Sie hatte sich auf den ihr angebotenen Stuhl gesetzt und gewartet. Sehr zu ihrer Überraschung hatte Mark sie mit knappen Worten gebeten, eine Stellenanzeige für eine Zeichnerin zu entwerfen.
» Aber wir kommen doch gut klar. Ich meine, wir haben doch keine Schwierigkeiten, die Termine einzuhalten«, gab sie zu bedenken und Mark lächelte sie an.
» Ja, ich weiß. Aber leider brauchen wir einen Ersatz.«
» Was? Wen wollen Sie denn rausschmeißen? Mich?«, fragte Valerie halb im Scherz, halb besorgt. Doch Mark lachte nur.
» Natürlich Sie. Sie sind einfach ein zu freches Luder, das halte ich auf Dauer nicht aus. Nein, jetzt mal im Ernst. Ich werfe niemanden raus. Annabelle hat gestern Bescheid gesagt, dass sie zum Ende Juni kündigen wird. Ihr Freund geht beruflich in den Osten, und sie will ihn begleiten.«
» Oh, wie schade.« Valerie tat es tatsächlich leid. Sie arbeitete schon seit einigen Jahren mit ihrer Kollegin zusammen und verstand sich sehr gut mit ihr. Ein wenig bekümmert machte sie sich an die Arbeit, besprach den Entwurf mit dem Chef, und Tina schaltete schließlich die Anzeigen. Bald darauf trafen die Bewerbungen ein, und Mark war in der folgenden Zeit zusätzlich mit deren Sichtung und schließlich Bewerbungsgesprächen beschäftigt. Valerie sah die eine oder andere Bewerberin auch ein zweites Mal kommen, und eines Tages bat Mark sie zu einem der Gespräche dazu. Die junge Frau, die ihr als Petra Reinhardt vorgestellt wurde, war etwa Mitte dreißig, sehr hübsch und schlank. Sie achtete offensichtlich penibel auf ihr Äußeres, wenn sie für ihr Alter auch ein wenig streng wirkte. Sie berichtete Valerie auf Marks Bitte von ihren bisherigen Tätigkeiten, und Valerie hatte den Eindruck, als würde sie die Sinnhaftigkeit dieser Bitte ein wenig anzweifeln. Sie war offensichtlich eine erfahrene Zeichnerin und wollte ihre bisherige Stelle wegen der geringen Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund der begrenzten Anzahl an Bauprojekten verlassen.
» Die Aufstiegschancen sind bei uns auch nicht größer«, stellte Mark fest. »Wir sind nur ein kleines Büro.«
» Aber mit wesentlich anspruchsvolleren Projekten«, entgegnete Petra.
Nachdem Mark sie schließlich verabschiedet hatte, fragte er Valerie nach ihrer Meinung.
»Na ja«, antwortete diese zögernd. »Sie scheint ja einiges drauf zu haben.«
» Ja. Leider ist sie die einzige Bewerberin, die fachlich hundertprozentig passt.«
Valerie runzelte die Stirn und sah ihn fragend an.
»Leider?«
» Ja, leider. Ich weiß nicht, ob sie von ihrer Persönlichkeit zu uns passt. Sie scheint sehr ehrgeizig zu sein. Nichts gegen Ehrgeiz, aber ich kann weder jemanden brauchen, der hier alles aufmischt, weil er sich nicht ins Team integrieren kann, noch jemanden, der nach einem halben Jahr wieder kündigt, weil er keine Aufstiegsmöglichkeiten sieht.«
Natürlich hatte Mark mit diesen Bedenken recht. Doch letztendlich war ihm nichts anderes übrig geblieben, als es zu probieren.
Valerie teilte die Zweifel, die Mark immer noch hatte. Nachdem sie Petra Reinhardt noch einmal eingeladen und mit ihr gesprochen hatten, waren sie zusammen essen gegangen und hatten sich über die Zeichnerin unterhalten:
» Also fest steht auf jeden Fall, dass sie fachlich gut ist. Ich glaube darüber brauchen wir nicht weiter zu diskutieren«, hatte Mark nachdenklich gesagt und Valerie hatte dem zugestimmt. »Ich frage mich nur immer noch, warum sie sich bei uns beworben hat.
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