Im Schatten (German Edition)
bin einfach überarbeitet. Wird Zeit, dass ich Urlaub bekomme.«
Katherine sah sie jedoch skeptisch an.
»Bist du sicher, dass es nicht noch andere Gründe gibt?«
Doch Valerie nickte entschlossen.
»Ja, Schatz. Sonst ist alles in Ordnung.«
Wie gern hätte sie ihrer Tochter ihr Herz ausgeschüttet, doch daran war gar nicht zu denken. Sie konnte ihr doch unmöglich erzählen, dass sie ihren Vater betrog, ja sogar ernsthaft über eine Trennung nachdachte. Dabei hätte sie so dringend jemanden zum Reden gebraucht. So nahm sie sich später am Abend ein Taxi nach Hause und ging mit der gleichen seelischen Belastung wie vorher ins Bett. Lange lag sie wach, sah immer wieder auf die Uhr. Was er jetzt wohl tat? Lag er in ihren Armen, küsste sie, liebte sie mit der gleichen Leidenschaft, mit der er mit ihr schlief? Tränen drohten in ihr aufzusteigen, und sie schimpfte sich selbst eine alberne, dumme Kuh. Das leise Piepsen ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Eine SMS mitten in der Nacht? Von wem die wohl war? Valerie schaltete das Licht an und griff nach ihrem Handy. Es war eine SMS von Mark:
» Bin früher zurück als geplant. Beweg deinen süßen Arsch hierher.«
Keine halbe Stunde später lag sie in seinen Armen. Warum nur war er zurückgekommen? Hatten sie sich vielleicht gestritten? Er hatte kein Wort darüber verloren, und sie traute sich nicht, zu fragen. Sie war nur froh, selbst diejenige zu sein, die in dieser Nacht in seinen Armen lag.
Am nächsten Tag griffen sie gemeinsam die Idee auf, an die Nordsee zu fahren. Zwei Tage ausgefüllt mit Spaziergängen, Wattwanderungen und nicht wenigen verregnete Stunden im Bett. Keinen einzigen Gedanken verschwendete Valerie an ihren Mann. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich glücklich, einfach nur glücklich und wünschte sich, niemals wieder etwas anderes zu erleben.
*
21 . Mai 2008
Sehr zu Katherines Freude hatte sich Valeries Kollegin Andrea schnell zu einem Gespräch bereit erklärt. Nun saßen sie während der Pause gemeinsam beim Mittagessen.
» Du befragst alle Kollegen, oder? Man könnte beinahe den Eindruck gewinnen, dass du von der Polizei bist.« Andrea grinste sie an, und auch Katherine konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Tatsächlich war Petra Reinhardt die Einzige, die sich geweigert hatte, mit ihr zu sprechen. Sie sei, hatte sie am Telefon gesagt, schließlich erst seit kurzer Zeit in der Firma und hätte noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, Valerie richtig kennen zu lernen. Und außerdem habe sie, so hatte sie beinahe unfreundlich hinzugefügt, genug damit zu tun, zusätzlich Valeries Job zu erledigen. Da habe sie keine Zeit, sich auch noch mit ihrer Familie herumzuschlagen.
» Hören Sie, Frau Reinhardt«, hatte Katherine es versucht, »ich weiß, Sie haben viel zu tun. Aber es wäre wirklich sehr wichtig für mich.«
» Nun, für mich ist es sehr wichtig, meinen Job anständig zu erledigen. Ihre liebe Mutter«, die Betonung war sehr gehässig gewesen, »hat sich fein aus dem Staub gemacht und den ganzen Kram uns überlassen. Ich habe genug damit zu tun, hier alles auf die Reihe zu bringen. Da habe ich für lustige Fragespielchen wirklich keine Zeit.«
» Ja«, antwortete Katherine nun auf Andreas Frage, »ich frage nach Möglichkeit viele von Mamas Kollegen. Es ist einfach so, dass meine Mutter nichts hinterlassen hat. Keinen Brief oder so was. Wir wissen einfach nicht, warum sie es getan hat. Und es ist so schwierig, damit fertig zu werden. Die Idee mit dem Leute befragen kam von meinem Freund, und der ist tatsächlich bei der Polizei«, fügte sie erklärend hinzu. Andrea machte allerdings eher einen skeptischen Eindruck.
» Glaubst du denn, es wird leichter, wenn du den Grund kennst? Ich meine, du kannst sie doch dadurch nicht wieder lebendig machen.«
» Nein, das nicht«, meinte Katherine, doch sie versuchte es zu erklären: »Wenn jemand stirbt, ist es schon schlimm genug, verstehst du?«
Andrea nickte und in ihre Augen trat plötzlich ein Anflug von Trauer. »Ja, das verstehe ich nur allzu gut. Wir waren gerade mal fünf Jahre verheiratet und unsere Kinder zwei und drei Jahre alt, als mein Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Ich weiß genau, wie es ist, jemanden so vollkommen unerwartet zu verlieren.«
Geschockt von dieser Nachricht schwieg Katherine einen Augenblick. Sie hatte zwar gewusst, dass Andrea alleinerziehend war, soviel hatte ihre Mutter ihr erzählt, jedoch hatte sie bisher
Weitere Kostenlose Bücher