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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Delinsky
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absolut nicht wissen, wie schlimm es war.«
    »Er ist ein netter Kerl. Sehr ehrlich. Und vernünftig.«
    »Anders als Nick.«
    »Oh, Nick ist so in Robin verliebt, dass er nicht gerade gucken kann.«
    »Verteidigst du ihn etwa?«, fragte Kathryn.
    »Ich verdränge ihn eher«, bemerkte Molly. »Aber vielleicht tue ich das ja. Ihn verteidigen, meine ich. Ich habe es zugelassen, dass er mich benutzt.«
    Kathryn sank in die Kissen und stellte die Tasse auf ihren Bauch. »Du warst zu sehr damit beschäftigt, in Robins Schatten zu leben. Zu sehr damit beschäftigt, dass alles, was sie hatte, das Beste war.«
    »Wusstest du, dass er noch in sie verliebt war?«
    »Der zynische Teil von mir hat es erraten.«
    »Aber du weißt doch, dass es einseitig war. Sie wollte ihn nicht.«
    »Ja«, gab Kathryn zu, »das weiß ich jetzt.« Sie trank ihren Tee aus, stellte die Tasse auf das Nachtkästchen, glitt tiefer und griff nach Mollys Hand.
    Molly wollte über dieses besondere Zugeständnis nachdenken und noch über andere Dinge, die ihre Mutter sagte. Doch als sie sich in der Wärme ihrer Mutter ausstreckte, war sie eingelullt. Sie war Kathryns Tochter, würde es immer sein. Es schien besser zu passen.
    Bis zum Morgen hörte sie nichts mehr. Kathryn schlief weiter. Dankbar, dass sie ihrer Mutter diese zusätzliche kurze Pause bieten konnte, schlich sich Molly aus dem Zimmer.
     
    Kathryn war seit sechs Wochen nicht mehr in dem Pflegeheim gewesen. Als Molly sie nun dorthin fuhr, sagte sie sich andauernd, dass Marjorie es nicht wissen würde. Doch als das weitläufige viktorianische Gebäude in Sichtweite kam, empfand sie unerträgliche Schuldgefühle. Und Angst. Sie wollte, dass ihre Mutter die Mutter war, die sie kannte. Sie wollte –
brauchte
 – diese Frau.
    Die Schwester am Empfang strahlte und vergrößerte damit ihre Schuldgefühle noch. »Es ist gut, Sie zu sehen, Missis Snow. Es ist ja schon eine Weile her. Der Sonntagsbrunch ist immer etwas Besonderes. Werden Sie heute unser Gast sein?«
    »Ach, ich glaube nicht«, antwortete Kathryn. Sie war sich nicht sicher, wie sie sich fühlen würde, wenn sie ihre Mutter sähe, und dann war da noch Robin. Charlie würde inzwischen bei ihr sein, doch Kathryn musste allein ins Krankenhaus. So lange war sie bisher noch nie von Robins Bett weg gewesen.
    Natürlich würde Robin es nicht wissen. Kathryn wollte nur während der kurzen Zeit, die ihnen noch blieb, bei ihrer Tochter sein.
    »Dann gehen Sie nach oben«, sagte die Schwester. »Sie ist im Aufenthaltsraum.«
    Kathryn versuchte, mit Molly auf der Treppe Schritt zu halten, und fühlte sich steif. Eine Woche Sitzen brachte das mit sich, und dass sie in einen Baum gefahren war, hatte auch nicht gerade geholfen. Entschlossen hob sie einen Fuß nach dem anderen.
    Auf halbem Weg blieb sie stehen. Das letzte Mal, als sie hier gewesen war, war der Schmerz intensiv gewesen. Nun kam alles wieder zurück – die Traurigkeit, der Schmerz, das tiefe Verlustgefühl.
    »Mom?«, fragte Molly leise von einer Stufe über ihr.
    »Ich kann das nicht«, flüsterte Kathryn und umklammerte das Geländer.
    Molly war plötzlich neben ihr. »Du kannst es. Sie ist deine Mutter. Du liebst sie.«
    »Sie ist nicht mehr dieselbe, die sie mal war.«
    »Und du auch nicht. Ich auch nicht. Und Robin auch nicht. Wir verändern uns alle, Mom.«
    Kathryn sah sie flehend an. »Aber wird sie wissen, dass ich es bin?«
    »Ist das wichtig?«
    Einfache Logik. Wie sollte sie widersprechen? Liebe war Liebe. Kathryn liebte Robin, obwohl ihr Geist nicht mehr funktionierte. In seiner Endgültigkeit war das seltsam leichter. Marjorie mochte sie vielleicht erkennen. Oder aber nicht. Aber ja, sie war immer noch ihre Mutter.
    Kathryn nahm sich Mollys Stärke zum Vorbild und ging weiter nach oben. In dem Moment, als sie den Aufenthaltsraum erblickten, erkannte sie Marjorie, die so hübsch – so
friedlich
 – aussah, dass Kathryn hätte denken können, sie gehöre nicht hierher. Die Augen halb geschlossen, saß Marjorie allein auf einem kleinen Sofa und lauschte leiser Kirchenmusik. Ihr graues Haar glänzte. Auf der einen Seite war es hinters Ohr gekämmt und enthüllte einen hübschen Perlenohrring. Ein kleines Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
    Das Herz schmolz ihr, als Kathryn den Raum durchquerte, sich hinkniete und ihre Hand nahm. »Mom?«
    Marjorie schlug die Augen auf. Sie wurden hell und zeigten leichte Freude an. »Hallo, du.«
    Kathryn wollte so gerne glauben, dass

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