Im Schatten meiner Schwester. Roman
immer noch so, wie es vor dem Einpacken gewesen war – einfach möbliert, gemütlich und bequem. Als sie es nun beim Öffnen der Haustür erblickte, entschuldigte sie sich. »Es tut mir leid, dass alles so ein Chaos ist.«
Kathryn schien es kaum zu bemerken. Sie wanderte durchs Zimmer, berührte ein Fensterbrett, ein Bücherregal, das Sofa. Molly bekam Angst, als sie sie beobachtete. Sie hatte gespürt, wie ihre Mutter zitterte, als sie ihr ins Auto half. Sie sah jetzt stabiler aus, aber das hieß nicht, dass sie in Ordnung war. Sie könnte eine Gehirnerschütterung haben. Es könnte innere Verletzungen geben. Sie könnte in einem Moment umkippen und tot sein.
Nach Robin schien alles möglich.
Doch Kathryn wirkte nicht verletzt. Sie zeigte ganz normale Überraschung, als sie zusammenfuhr, weil Mollys Katze zwischen Kisten hervorschoss und den Flur entlanglief. »Ist es das, wofür ich es halte?«
»Ja.« Schnell erklärte Molly: »Sie wurde misshandelt. Ich habe sie gerettet.«
»Aber du ziehst am Montag um«, gab Kathryn zurück und klang wieder ganz wie sie selbst.
»Nicht meine Schuld, Mom. Der Tierarzt hat mich angefleht, sie zu nehmen. Sie braucht einen ruhigen Ort ohne andere Haustiere, und das war der einzige, der mir einfiel.«
Kathryn betrachtete sie. »Warum habe ich das Gefühl, dass der Tierarzt keine große Überzeugungsarbeit leisten musste?«, fragte sie schließlich, weniger mit Missfallen als mit Resignation. »Deine Schwester hat mir nicht erzählt, dass du eine Katze hast.«
»Sie wusste es nicht. Ich habe sie am Montag gekriegt. Deshalb bin ich ja so spät nach Hause gekommen. Das arme Ding hat ein traumatisiertes Leben geführt. Sie ist scheu.«
»Kein gutes Zeichen. Sie wird sich vielleicht nie anschließen.«
»Sie wird. Das erkenne ich. Sie versteckt sich nicht mehr so viel wie am Anfang. Sie liebt Robins Bett.«
Kathryn räusperte sich laut. »Und nach nächstem Montag?«
»Sie wird kein Problem sein, Mom. Ich habe es mir gut überlegt. Katzen brauchen nicht viel Platz. Sie wird in meinem Zimmer bleiben, bis ich etwas anderes finde.«
»Das könnte eine Weile dauern.«
Zum ersten Mal jedoch wurde Molly klar, dass sie allein suchen würde. »Nein«, sagte sie traurig. »Es bin ja nur ich. Eine kleinere Wohnung wird leicht zu finden sein.« Doch sie würde nicht den Charakter dieses Hauses haben. »Ich hoffe immer noch, dass Mister Field nachgeben wird.« Kathryn hörte nicht zu. »Bist du sicher, dass dir nichts fehlt, Mom?«
»Ich bin mir sicher.«
»Willst du ein heißes Bad?«
»Nein. Es war ein unbedeutender Unfall. Ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hinfuhr.«
Molly erriet, dass es mehr war. Kathryns Gefühle mussten strapaziert sein. Dass sie Marjorie sehen wollte, sprach allein schon Bände.
»Ich rufe besser Dad an und teile ihm mit, dass du hier bist, bevor jemand das Auto findet und dich für vermisst erklärt.«
Als Kathryn nicht widersprach, rief sie an. Charlie wirkte bis zu den Worten »hat das Auto zu Schrott gefahren« verschlafen, doch dann erschrak er. »Gib mir deine Mutter«, sagte er.
Kathryn winkte ab, doch Molly bestand darauf, da sie wusste, dass ihr Vater keine Ruhe geben würde, bis er Kathryns Stimme gehört hatte.
»So«, neckte Molly, als ihre Eltern fertig waren. »Das war doch nicht so schlimm.« Kathryns Blick ließ sie ihr Tee anbieten. Kathryn schien protestieren zu wollen, tat es dann aber doch nicht. »Das wäre schön.«
Molly zeigte auf einen Stuhl, doch als sie in die Küche ging, folgte ihr Kathryn. Zumindest gab es hier keine Kisten, was hieß, dass sie Montagabend spät packen müsste. Im Moment jedoch stapelte sich noch Robins Tee ungeordnet im Schrank.
Kathryn lächelte traurig. »Deine Schwester hat Tee geliebt.«
»Ich probiere ständig andere, weil ich denke, dass ich sie irgendwie erreichen kann.«
Nachdem sie die Auswahl studiert hatte, holte Molly eine Schachtel heraus. »Ich mache dir einen mit Jasmin und Kamille. Das lindert Stress.«
»Ich fühle mich nicht gestresst.«
»Du bist gestresst.«
»Nicht im Moment. Willst du welchen?«
Molly ließ Wasser in den Kessel ein. »Nein, ich habe es probiert, Mom, aber Tee ist nicht mein Ding. Ich bin nicht Robin.«
»Du musst auch nicht Robin sein.«
»Aber du liebst sie.«
»Ich liebe dich auch.«
»Nicht, wie du Robin liebst.«
»Das stimmt«, gab Kathryn zu, doch ihr Blick blieb fest. »Keine Mutter liebt ihre Kinder alle gleich.
»Robin hat so viele gute
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