Im Schatten meiner Schwester. Roman
Röntgens würde warten müssen, noch länger auf eine Magnetresonanztomographie. Sie griff in den Korb und zog die Katze sanft hervor. »Ich bin zehn Minuten weg. Wie ernst ist es?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber wir brauchen Sie hier.«
Die Katze bebte heftig. Sie war mit zehn anderen Katzen eingesperrt in einer Scheune aufgefunden worden. Der Tierarzt nahm
an, dass sie knapp zwei Jahre alt war.
»Meine Schwester hat ihr Telefon bei sich«, versuchte es Molly, die wusste, dass sie, wenn sie direkt mit Robin sprechen könnte, mehr erfahren würde. »Hat sie Handyempfang?«
»Nein. Tut mir leid. Die Nummer Ihrer Eltern steht zusammen mit Ihrer hier auf ihrem Schuhschild. Wollen Sie sie anrufen, oder soll ich?«
Wenn die Schwester den Schuh in der Hand hielt, dann steckte dieser nicht an Robins Fuß. Eine gerissene Achillessehne? Unwillkürlich besorgt, sagte Molly: »Sie sind nicht im Lande.« Sie probierte es mit Humor. »Ich bin ein großes Mädchen. Ich kann einiges vertragen. Können Sie mir einen Hinweis geben?«
Doch die Schwester war immun gegen Charme. »Der Arzt wird es Ihnen erklären. Kommen Sie?«
Hatte sie eine andere Wahl?
Resigniert nahm Molly die Katze auf den Arm und trug sie in ihr Schlafzimmer im Rückteil des Cottages. Nachdem sie sie in den Falten eines Kissens abgelegt hatte, stellte sie Katzenklo und Futter in die Nähe und setzte sich dann auf den Bettrand. Sie wusste, es war blöd, ein Tier hierherzubringen, mussten sie doch in einer Woche ausziehen, aber ihre Mutter weigerte sich, noch eine Katze in der Gärtnerei zu halten, und diese hier brauchte ein Heim. Der Tierarzt hatte sie einige Tage behalten, doch sie hatte sich mit den anderen Tieren nicht gut verstanden. Sie war nicht nur unterernährt, sie sah aus, als ob sie mehr als nur einen Kampf verloren hätte. Ihr kleiner Körper war in Alarmbereitschaft, als würde sie einen neuen Schlag erwarten.
»Ich werde dir nicht weh tun«, flüsterte Molly beruhigend und kehrte in den Flur zurück, um der Katze Raum zu lassen. Sie ließ Wasser auf den Philodendron träufeln – zu viel zu schnell würde ihn nur ertränken –, trug ihn dann auf den Dachboden und stellte ihn direkt ins Licht. Auch der hier brauchte TLC . Aber später.
Zuerst eine Dusche. Es würde schnell gehen müssen, sie konnte das Krankenhaus nicht ewig aufschieben. Doch das Gewächshaus war heiß im September, und nach einer größeren Lieferung von Herbstpflanzen hatte sie fast den ganzen Nachmittag damit verbracht, Kisten zu zerbrechen, Töpfe umzustellen, Auslagen neu zu drapieren und zu schwitzen.
Die Dusche klärte ihre Gedanken. Als sie jedoch wieder in ihrem Zimmer war, um sich anzuziehen, konnte sie die Katze nicht finden. Sie rief leise nach ihr, sah unters Bett, in den offenen Schrank und hinter einen Stapel Kartons. Sie suchte in Robins Zimmer, dem kleinen Wohnzimmer, sogar in dem Kürbiskorb – den sie auch noch einpacken musste, doch er befriedigte nur ein ästhetisches Bedürfnis und konnte leicht eine kleine Katze verbergen.
Sie hätte noch weitergesucht, wenn ihr Gewissen sich nicht zu regen begonnen hätte. Robin war im Krankenhaus in guten Händen, doch da ihre Eltern sich irgendwo zwischen Atlanta und Manchester befanden und ihr Name als Erster auf dem Schild stand, musste Molly sich auf die Socken machen.
Sie ließ ihr langes Haar sich beim Trocknen locken und zog saubere Jeans und ein T-Shirt an. Dann fuhr sie mit dem Handy im Schoß los, da sie ernsthaft erwartete, dass Robin anrufen würde. Sie würde nachgiebig und kleinlaut sein – außer es wäre wirklich eine gerissene Achillessehne, was eine Operation und Wochen bedeuten würde, in denen sie nicht laufen könnte. Wenn das der Fall wäre, hätten sie alle ein Problem. Eine unglückliche Robin war ein Elend, und das Timing dieses Unfalls hätte nicht schlechter sein können. Die fünfzehn Meilen von heute waren eine Vorbereitung für den New-York-Marathon. Wenn sie dort unter den ersten zehn besten amerikanischen Frauen landete, wäre das ein Platz für sie bei den Olympischen Wettkämpfen im nächsten Frühjahr.
Das Telefon klingelte nicht. Molly war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war, doch sie sah keinen Sinn darin, eine Nachricht für ihre Mutter zu hinterlassen, bis sie mehr wüsste. Kathryn und Robin waren an der Hüfte miteinander verbunden. Wenn Robin einen eingewachsenen Zehennagel hatte, spürte Kathryn den Schmerz.
Es war schön, so geliebt zu
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