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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Delinsky
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Mutter. »Das ist unfair«, protestierte sie, weil sie, die Familienloyalitäten einmal außen vor gelassen, eine Verbindung zu diesem Mann spürte. Kathryn gab ihm die Schuld für etwas, was er nicht getan hatte, und o Gott, Molly konnte nachempfinden, was er fühlen musste. Dass er Robin wiederbelebt hatte, war Grund genug für sie, sich mit ihm zu verbünden. »Hat meine Schwester einen Laut von sich gegeben?«, fragte sie. »Ein Stöhnen, ein Wimmern?« Beides wäre ein Argument gegen einen Hirnschaden.
    In seinen Augen stand Bedauern. »Nein. Keinen Laut. Während ich ihre Brust drückte, habe ich immer wieder ihren Namen gerufen, aber sie schien nicht zu hören. Es tut mir leid«, sagte er und drehte sich wieder zu Kathryn. »Ich wünschte, ich hätte mehr tun können.«
    »Ich auch«, nahm Kathryn ihren Angriff erneut auf, »aber dazu ist es jetzt zu spät. Warum sind Sie also hier? Wir versuchen hier mit etwas so Entsetzlichem zurechtzukommen, das Sie nicht einmal im Ansatz verstehen können. Sie hätten nicht kommen sollen.« Sie sah sich um. »Schwester!«
    »Mom«, versuchte Molly sie entsetzt zum Schweigen zu bringen. Sie legte den Arm um Kathryn, doch der Gute Samariter tat ihr weit mehr leid. »Meine Mutter ist erregt«, sagte sie zu ihm. »Ich bin sicher, Sie haben getan, was Sie konnten.« Doch er war bereits auf dem Rückzug. Kaum hatte er sich umgedreht und war den Gang entlang weggegangen, als Kathryn ihre Wut gegen Molly wendete.
    »Bist du sicher, dass er alles getan hat, was er konnte? Woher weißt du das denn? Und wie ist er hier raufgekommen?«
    »Er hat den Fahrstuhl genommen«, sagte Charlie hinter Molly. Seine Stimme war leise, aber beherrschend. Kathryn beruhigte sich sofort. Mit einem einzigen Atemzug sammelte sie sich und ging Richtung Toilette.
    Sobald sie außer Hörweite war, wandte sich Molly ihrem Vater zu, bereit, Kathryns Ausbruch zu verurteilen, doch die Sorge in seinem Gesicht hielt sie davon ab. Da Kathryn so engagiert war, vergaß man leicht, dass Robin auch Charlies Tochter war.
    Die Gedanken an den Guten Samariter verblassten und wurden von Robin und der Wirklichkeit ersetzt. »Was machen wir nur?«, fragte Molly mit brüchiger Stimme.
    »Es aussitzen.«
    »Wegen Mom. Sie ist außer Kontrolle geraten. Dieser Typ hat es doch nicht verdient. Er hat nur zu helfen versucht, genauso wie ich zu helfen versuche, aber ich habe fast Angst zu sprechen. Alles, was ich sage, ist falsch.«
    »Deine Mutter ist erregt, das ist alles.«
    Trotzdem lag noch eine Last auf Mollys Brust. »Es ist noch was. Sie gibt mir die Schuld.«
    »Sie hat gerade eben auch diesem Typ die Schuld gegeben. Es ist völlig irrational.«
    »Aber ich gebe mir ja selbst die Schuld. Ständig muss ich daran denken, dass ich dort im Bett liegen sollte und nicht Robin.«
    Er zog sie an sich. »Nein, nein. Du irrst dich.«
    »Robin ist die Gute.«
    »Nicht besser als du. Das war nicht deine Schuld, Molly. Sie hätte diesen Herzinfarkt gehabt, ob du sie nun gefahren hättest oder nicht, und niemand – am allerwenigsten Robin – hätte gewollt, dass du in deinem Auto dahergekrochen wärst und sie die ganze Zeit im Auge behalten hättest. Du hättest überall fünfzehn Minuten weg sein können.«
    »Oder fünf«, erwiderte Molly, »so dass der Schaden geringer gewesen wäre. Aber wenn ich diejenige im Koma wäre, könnte Robin Mom helfen. Sie will sich aber nicht von mir helfen lassen. Was soll ich sagen? Wie verhalte ich mich?«
    »Sei einfach nur du.«
    »Das ist ja das Problem. Ich bin ich, nicht Robin. Und wenn sie recht haben wegen ihres Gehirns«, fuhr Molly fort, weil ihr Vater so viel vernünftiger war als ihre Mutter und die Sache mit der Lebenserhaltung sie verfolgte, »geht es hier nicht um Leben und Tod. Es geht nur um den Tod.« Sie schluckte. »Darum, wann er eintritt.«
    »Das wissen wir nicht mit Sicherheit«, beruhigte er sie leise. »Es hat doch immer wieder Wunder gegeben.«
    Charlie war ein zutiefst religiöser Mann, ein regelmäßiger Kirchgänger, auch wenn er meistens allein ging und sich nie darüber beklagte. Er akzeptierte, dass das, was für ihn funktionierte, nicht notwendigerweise auch für seine Frau und seine Kinder funktionieren musste. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Molly sich, dass es anders wäre. Charlie glaubte an Wunder. Sie wollte auch daran glauben.
    Er drückte ihre Wange an seine Brust. Seine so vertraute Wärme ließ sie die Fassung verlieren. Sie barg ihr Gesicht an

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