Im Schatten meiner Schwester. Roman
»Es ist aus.«
Als ob das das Problem lösen würde. »Ihre Freunde werden Nachrichten hinterlassen. Wenn sie nicht antwortet, werden sie zu Hause anrufen. Was soll ich ihnen denn sagen?«
»Sag, sie meldet sich wieder bei ihnen.«
»Mom, das sind enge Freunde. Ich kann nicht lügen. Außerdem könnten sie eine Hilfe sein. Sie könnten kommen und mit Robin reden.«
»Das können wir selbst tun.«
»Wir können ihnen nicht sagen, dass nichts ist. Wenn Robin einen schweren Herzinfarkt hatte …«
»… ist das ganz allein unsere Sache«, erklärte Kathryn. »Ich will nicht, dass die Leute sie seltsam anschauen, sobald sie wieder gesund und munter ist.«
Molly konnte es nicht glauben. Wenn man ihre Mutter reden hörte, dann konnte Robin in ein, zwei Tagen wieder aufwachen, und alles wäre in Ordnung, sie wäre perfekt. Doch sogar ein leichter Hirnschaden hinterließ Symptome. Im besten der Fälle würde sie in die Reha müssen.
Molly wandte sich ihrem Vater zu. »Hilf mir doch, Dad.«
»Wobei?«, fragte Kathryn und kam damit Charlie zuvor.
Molly umfasste den Raum mit einem einzigen Blick. Ihre Augen blieben schließlich an Robin hängen, die sich nicht einen Zentimeter gerührt hatte. »Ich habe genauso viele Probleme damit wie du.«
»Du bist nicht ihre Mutter.«
»Sie ist meine Schwester. Mein Idol.«
»Als du klein warst«, tadelte Kathryn. »Das ist schon eine ganze Weile her.«
Meine Schuld, meine Schuld, jammerte Molly bei sich und fühlte sich noch schlimmer. Aber wie sollte sie jetzt etwas Positives tun? Sie wandte sich erneut bittend an ihren Vater. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Dad. Wenn du mich in Snow Hill willst, gut; aber wir können nicht so tun, als ob dies nichts Ernstes wäre. Robin ist von lebenserhaltenden Apparaten abhängig.«
»Im Moment«, sagte Kathryn mit derartiger Überzeugung, dass Molly beinahe nur deshalb geblieben wäre, um ihr Vertrauen in sich aufzusaugen.
Sanft meinte Charlie: »Wenn jemand fragt, Liebes, sag ihnen einfach, dass wir auf die Testergebnisse warten, dass wir ihre Gebete aber zu schätzen wüssten.«
»Gebete?«, rief Kathryn aus. »Als ob es um Leben und Tod geht?«
»Gebete sind für alle möglichen Dinge«, erwiderte Charlie und blickte auf, als die Schwester hereinkam.
»Ich möchte hier gerne ein bisschen arbeiten – waschen, Schläuche kontrollieren«, sagte die Frau. »Es wird nicht lange dauern.«
Molly ging hinaus auf den Flur. Ihre Eltern hatten sich ihr kaum angeschlossen, als ihre Mutter sagte: »Seht ihr? Sie würden sich doch nicht um so banale Dinge wie Waschen kümmern, wenn es keinen Sinn hätte. Ich gehe auf die Toilette. Ich bin gleich wieder da.«
Sie hatte jedoch gerade zwei Schritte gemacht, als sie stehen blieb. Ein Mann hatte sich genähert und starrte sie an. Ungefähr in Robins Alter und in Jeans und Hemd und Krawatte, sah er ehrbar genug aus, um zum Krankenhauspersonal zu gehören, doch an seinem gequälten Augenausdruck und dem dunklen Schatten an seinem Kinn erkannte man, dass er eindeutig erregt war.
»Ich bin derjenige, der sie gefunden hat«, sagte er mit gequälter Stimme.
Mollys Herz setzte einen Schlag aus. Als Kathryn nichts erwiderte, preschte sie vor. »Derjenige, der Robin auf der Straße gefunden hat?«, fragte sie eifrig. Sie hatten so wenige Tatsachen. Dass er gekommen war, war ein Geschenk.
»Ich bin gelaufen, und plötzlich lag sie da.«
Er wirkte verwirrt. Molly konnte das nachvollziehen. »War sie bei Bewusstsein, als Sie bei ihr waren? Hat sie sich noch bewegt? Etwas gesagt?«
»Nein. Hat sie das Bewusstsein wiedererlangt?«
Sie wollte gerade antworten – wahrheitsgemäß, weil seine Augen sie anflehten –, als Kathryn zum Leben erwachte. Schrill legte sie los. »Sie haben die Frechheit, das zu fragen, nachdem Sie gelähmt wie lange dastanden, bevor Sie Hilfe gerufen haben?«
»Mom«, warnte Molly sie, doch ihre Mutter schimpfte weiter.
»Meine Tochter liegt im Koma, weil sie zu lange keinen Sauerstoff bekommen hat! Wussten Sie, dass jede einzelne Sekunde zählte?«
»Mom.«
»Ich habe mit der Herz-Lungen-Belebung angefangen, sobald ich erkannte, dass sie keinen Puls mehr hatte«, sagte er ruhig, »und ich habe es weitergemacht, während ich Hilfe gerufen habe.«
»Sie haben mit der Herz-Lungen-Belebung angefangen«, spottete Kathryn. »Wissen Sie überhaupt, wie man das macht? Wenn Sie es richtig gemacht hätten, wäre sie vielleicht gesund.«
Entsetzt packte Molly den Arm ihrer
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