Im Schatten meiner Schwester. Roman
Familie. Was sollte sie ihnen erzählen? Da sie das nicht mit Kathryn oder Charlie abgesprochen hatte, wandte sie sich an Chris, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. Neugierig fragte sie Tami: »Wie hast du es erfahren?«
»Mein Schwager arbeitet bei den Sanitätern. Er hat etwas von ihrem Herzen gesagt.«
So viel dazu, dass sie sagen sollten, Robin sei »krank«.
Wieder wartete Molly auf Chris, doch er schwieg. Und einer musste etwas sagen. »Wir wissen auch nicht mehr«, erklärte Molly schließlich. »Es hat eine Herzsache gegeben. Sie machen Tests mit ihr.«
»Wow! Ist es ernst?«
Wie sollte man darauf antworten? Zu viel, und Kathryn würde wütend werden. »Ich weiß es einfach nicht. Wir warten darauf, etwas zu hören.«
»Wirst du es mir dann sagen? Robin ist der letzte Mensch, bei dem ich mir auch nur eine Erkältung vorstellen könnte.«
»Das ist wahr«, pflichtete Molly ihr bei und fügte hinzu: »Ich bin sicher, sie kommt in Ordnung.«
»Das ist gut. Robin ist absolut die Beste. Lass mich wissen, wenn ich etwas tun kann.«
Molly wartete nur, bis Tami im Gartencenter verschwand, bevor sie Chris anfunkelte.
»Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Hättest du nicht helfen können?«
»Du hast das super gemacht.«
»Aber was, wenn es nicht stimmt? Was, wenn sie nicht in Ordnung kommt?«
Er steckte die Hände in die Taschen.
»Gestern Abend«, fuhr Molly fort, die sich offenbaren musste, »als das Krankenhaus angerufen hat. Ich dachte, es sei nichts. Die Schwester hat mir gesagt, ich soll gleich kommen, aber ich wollte nicht auf Robin warten müssen, also habe ich noch eine Zeitlang einiges im Haus gemacht. Sie lag im Koma, und ich habe geduscht, damit ich mich gut fühlte.«
Er sah gequält drein, blieb aber stumm.
»Sie muss aufwachen«, flehte Molly. »Sie ist das Rückgrat dieser Familie. Was würde Mom tun, wenn sie nicht aufwacht?« Als Chris erneut nur mit den Schultern zuckte, schrie sie: »Du bist keine Hilfe!«
»Was willst du, dass ich sage?«, fragte er. »Ich habe keine Antworten.«
Molly sah auf die Uhr. Mehr als eine Stunde war vergangen, seit sie das Krankenhaus verlassen hatte. »Vielleicht hat Mom ja welche. Ich fahre zurück ins Krankenhaus.«
Kathryn stand zwischen ihrem Mann und dem Neurologen und betrachtete die Aufnahmen von der Magnetresonanztomographie des Gehirns. Der Arzt sagte, es sei Robins, und ja, Robin sei von der Intensivstation weg und die erforderliche Zeit nun schon bewusstlos. Doch nach dem, was der Arzt über die Schattierung und die Beschreibung des toten Gewebes sagte, konnte das doch nicht Robins Film sein. Der Schaden hier war beträchtlich.
Kathryn hatte so große Angst wie noch nie in ihrem Leben, und Charlies Arm um ihre Schultern brachte wenig Trost. Sie sah den Arzt der Intensivstation nach Erklärung suchend an, doch er konzentrierte sich auf den Neurologen.
Wir werden einen anderen Spezialisten hinzuziehen, dachte sie. Zwei Spezialisten, zwei Meinungen.
Doch da stand Robins Name deutlich auf dem Film. Und da war der ganze dunkle Bereich, auf dem kein Blutfluss zu sehen war. Es war völlig eindeutig.
Der Neurologe redete weiter. Kathryn versuchte zuzuhören, doch es fiel ihr schwer, weil das Rauschen in ihrem Kopf so laut war. Schließlich verstummte er. Es dauerte eine Minute, bevor ihr klarwurde, dass sie jetzt an der Reihe war.
»Nun«, sagte sie und bemühte sich zu denken, »okay. Wie behandeln wir das?«
»Wir behandeln es nicht«, antwortete der Neurologe mit mitfühlender Stimme. »Sobald Hirngewebe abstirbt, ist es vorbei.«
Sie warf einen schnellen Blick zu Robin und brachte ihn zum Schweigen. Das Letzte, was Robin brauchte, war, dass man ihr erklärte, dass etwas vorbei war. Leise sagte sie: »Es muss doch eine Möglichkeit geben, es rückgängig zu machen.«
»Leider nicht, Missis Snow. Ihre Tochter war zu lange ohne Sauerstoff.«
»Nur weil der Typ, der sie gefunden hat, zu lange mit der Ersten Hilfe gewartet hat.«
»Es ist nicht seine Schuld«, erwiderte Charlie sanft.
Der Intensivarzt trat vor. »Er wird als Guter Samariter angesehen, was heißt, dass er vom Gesetz geschützt ist. Ihre Tochter hatte einen Herzinfarkt. Der hat den Hirnschaden verursacht. Nach dem, was dieser Film zeigt …«
»Kein Film erzählt die ganze Geschichte«, unterbrach ihn Kathryn. »Ich weiß, dass Robin bei uns ist. Vielleicht ist eine Magnetresonanztomographie ja nicht der richtige Test. Oder vielleicht war etwas mit dem Gerät
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