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Im Schatten meiner Schwester. Roman

Titel: Im Schatten meiner Schwester. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Delinsky
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gesehen, weil sie sie nicht hatte sehen wollen. Was nicht hieß, dass sie dumm war. Sie wusste in dem Moment, wer anrief, als ihr Telefon klingelte – wusste, dass eine höhere Macht am Werke war, denn während sonst ihr Handy nur einen Streifen in diesem Zimmer aufwies, waren es nun drei –, und sie wusste, dass dies ihre Chance war, einiges von ihrer Selbstachtung wiederzugewinnen.
    »He«, sagte sie so freundlich wie möglich.
    »He selber. Hast du meine Mail bekommen?«
    »Sicher. Das war süß.«
    »Wo bist du? Du klingst so verschnupft. Bekommst du eine Erkältung?«
    »Keine Erkältung.« Viele Tränen, aber das musste er nicht wissen. »Es ist wahrscheinlich der Empfang.«
    »Bist du im Krankenhaus?«
    »Ja. Bei Robin.«
    »Kann ich kommen?«
    »Keine gute Idee.«
    »Warum nicht? Du bist erregt.«
    Molly hätte schreien können. Doch Robin würde dies zu schätzen wissen. Sie sprach zum Wohle ihrer Schwester und auch zu ihrem eigenen. »Es ist die ganze Sache mit Andreas Welker. Meine Eltern vertrauen dir nicht.«
    »Ich habe es dir doch gesagt. Ich werde nichts mehr berichten, ohne dich zu verständigen. Das ist ein Versprechen.«
    »Ach Nick«, entgegnete Molly traurig, »es geht um mehr als um die Zeitung. Sie glauben, dass du mich ausnutzt, um Robin nahe zu sein.«
    »Das ist doch lächerlich. Robin und ich haben uns getrennt. Da war nichts, Molly. Du und ich waren vorher und danach Freunde. Lass mich rüberkommen, und ich erkläre es dann deiner Mom.«
    Molly hätte vielleicht wieder zu weinen angefangen, wenn er ihr nicht so perfekt in die Hände gespielt hätte. Sie war noch nie ein verschlagener Mensch gewesen, doch sie hatte sich schließlich auch noch nie so verletzt gefühlt.
    »Wirklich, Nick, das ist im Moment keine gute Idee. Ich glaube tatsächlich, es gibt eine kleine Besserung. Wenn du also kommst und Robin es spürt, könnte es sie aufregen.«
    »Eine Besserung? Du hast gesagt, sie sei hirntot. Was meinst du mit Besserung?«
    »Es gibt vielleicht eine Besserung«, wiederholte Molly. Verschlagen? Besser gesagt, böse, doch in dem Moment war es ihr egal. »Es ist schwer zu sagen, was willentlich geschieht und was nicht. Ich habe angefangen, ihr laut Nachrichten vorzulesen – du weißt schon, Nachrichten von Freunden, Mails, die sie ihr gesendet haben. Manche von ihnen sind echt gut – wie diejenige, die ich gerade gelesen habe.« Sie kannte die Worte auswendig. »›Wo ist dieser MUMM ?‹, hast du gefragt. ›Wunder passieren nicht einfach – wir müssen dafür sorgen, dass sie passieren. Ich zähle darauf, dass Du wieder gesund wirst. Es geht nicht nur um Dein Leben, es geht auch um meines.‹ Ich meine«, sagte Molly sarkastisch, »welches Mädchen wäre von so einem Liebesbrief nicht gerührt?«
    In der Stille, die folgte, zog sie ein Gesicht und nickte Robin zu. Oh, er hat’s kapiert. Sie wartete und fragte sich, wie er damit wohl umgehen würde.
    Schließlich sagte er mit einem abfälligen Lachen: »Okay, Moll, du hast mich in die Enge getrieben. Aber du ziehst die falschen Schlüsse. Meinst du nicht, dass ich das absichtlich geschrieben habe, um Robin einen Grund zur Hoffnung zu geben? Hör zu, sie war in mich verliebt. Wenn so etwas sie aufweckt, ist das nicht eine Lüge wert?«
    »Die Frage ist nur, wer hier lügt. Robin sagt, dass sie dich nicht geliebt hat. Sie hat das von Anfang an gesagt. Ständig hat sie mir erzählt, du würdest mich nur ausnützen, ich habe ihr nur nie geglaubt. Das hätte ich aber, wenn sie mir diese Mail gezeigt hätte. Sie hat mich beschützt, Nick. Sie wollte nicht, dass ich las, was du ihr vor drei Wochen geschrieben hast – dass mit mir zu reden alles noch schlimmer mache, weil ich nicht über sie reden wolle. Damals war sie noch nicht krank, Nick. Nicht nötig zu versuchen, sie zu wecken. Warum also hast du es gesagt? Und die kleine Liebesnachricht, die du ihr vor sieben Wochen geschickt hast, die, in der du geschrieben hast, dass du überall hinziehen würdest, wo immer sie leben wolle? Nein, Nick. Wenn jemand hier lügt, dann, glaube ich, wissen wir, wer es ist.« Molly wollte etwas Unhöfliches sagen, besann sich dann jedoch eines Besseren. »Eines noch zum Schluss«, fügte sie hinzu. »Ich habe das alles vor Robin gesagt. Sie sieht zufrieden aus.« Ruhig beendete sie den Anruf.
     
    Kathryn schlief kaum, doch als Charlie eine Schlaftablette vorschlug, weigerte sie sich. Dem Schmerz zu entfliehen fühlte sich wie Weglaufen an.
    Sie

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