Im Schatten meiner Schwester. Roman
es. »Du würdest dich gut fühlen, wenn du sie lesen würdest.«
»So wie Rohentwürfe von Trauerreden?«, fragte Kathryn und schickte einen hilflosen Blick zur Decke.
»Es geht darum, etwas zu tun, um die Zeit herumzukriegen«, gab Molly zurück. »Ich komme gerade von der Arbeit.« Als Kathryn nur schweigend in Robins Gesicht starrte, berichtete Molly ihr das Neueste aus Snow Hill. Liz erwähnte sie nicht.
Kathryn ließ kaum erkennen, dass sie irgendetwas aufnahm. Also zog sich Molly einen Stuhl heran, öffnete ihren Laptop und rief ihre E-Mails auf. In der kurzen Zeit, seit sie das letzte Mal nachgesehen hatte, waren noch mehr Nachrichten eingetroffen. »Hier ist eine von Ann Currier. Erinnerst du dich? Sie war …«
»… deine Lehrerin in der fünften Klasse.«
»›Liebe Molly, ich bin entsetzt, das über Deine Schwester zu lesen. Ich schließe sie in meine Gebete ein.‹« Molly antwortete mit einem kurzen Dank und rief die nächste auf. »Die ist von Teddy Frye. Robin ist im College mit ihm ausgegangen.«
»Bitte lies sie nicht.«
»Er lebt in Utah. Wie hat er es herausgefunden?«
»Dein Freund Nick.«
Molly fühlte ein innerliches Ziehen. Ihr Freund Nick hatte nicht angerufen. Nicht, um sich für den Artikel in der Zeitung zu entschuldigen, und nicht, um sich zu erkundigen, wie es ihr ging. Ein wahrer Freund hätte seine Hilfe angeboten. Molly hätte Kathryn gerne erzählt, dass er das getan hatte.
Entmutigt wandte sie sich wieder ihrem Laptop zu und beantwortete weitere Nachrichten. Die anderen las sie nicht mehr laut vor. Kathryn schien es vorzuziehen, dem Surren der Apparate zu lauschen. Sie sprach nicht mal mehr mit Robin, und Molly wusste nicht, ob der Grund dafür war, dass sie müde, realistisch oder deprimiert war. Doch je länger sie schwieg, desto erschreckender war es.
Deshalb sagte Molly: »Ich habe Liz gefeuert.«
Kathryn reagierte nicht.
»Hast du gehört?«
Kathryn sah sie an und hob fragend eine Augenbraue.
»Ich habe Liz gefeuert. Ich habe ihr in der Sitzung am Montag gesagt, dass wir nicht mit den Maskins zusammenarbeiten. Sie hat gewartet, bis wir von dem hier abgelenkt waren, dann ist sie losgegangen und hat die Bestellung selbst aufgegeben.«
»Das hat sie wirklich getan?«
»Ja. Ich kann nicht mit ihr arbeiten, Mom. Es tut mir leid. Ich weiß, sie ist gut, aber es hat schon andere Gelegenheiten gegeben, wo sie mich genervt hat, bis sie bekommen hat, was sie wollte, und Snow Hill leidet darunter.«
Kathryn wandte sich wieder Robin zu.
»Ich werde sie anrufen und mich entschuldigen, wenn du willst.«
»Nein, das ist in Ordnung.«
»Greg Duncan kann aushelfen, bis wir jemand anderen eingestellt haben, und er wäre sowieso nicht der Schlechteste, um das Ganze zu übernehmen. Er ist wirklich künstlerisch veranlagt und absolut loyal.«
»Molly, es ist gut.«
»Das Timing ist scheußlich. Aber deshalb ist das, was sie getan hat, ja auch so unverzeihlich. Es tut mir leid. Ich habe die Geduld verloren. Sie hat mir das Gefühl gegeben, ich sei ein kleines Kind, das nichts von der Sache versteht.« Sie verstummte. Ihre Mutter hörte nicht zu. Molly wartete, kehrte jedoch schließlich zu ihren Mails zurück.
Und da war sie – eine Nachricht von Nick. Als sie sie las, empfand sie eine Riesenerleichterung. »Er hat versucht, den Artikel zu verhindern.«
»Wer?«
»Nick. Sie waren bereits in Druck gegangen, aber er sagt, dass sie nichts mehr bringen, außer wir bitten darum. Er hat das Herz am rechten Fleck, wirklich.«
Kathryn sah zweifelnd drein. »O Molly. Ich weiß nicht. Wenn er so toll ist, wo ist er dann?«
»Er weiß, dass du ihn nicht magst.«
»Es ist nicht so, dass ich ihn nicht mag. Ich stelle nur seine Motive in Frage. Er ist ein richtiger Getriebener.«
»Ja, weil seine Eltern es nicht waren, und sie haben den Preis dafür gezahlt. Er will Erfolg haben.«
Kathryn nickte bestätigend. »Ein richtiger Getriebener. Er wird dich benutzen, solange du etwas zu bieten hast.«
»Er benutzt mich nicht. Nick und ich waren Freunde, lange bevor er Robin kennengelernt hat.«
»Als ob er nicht vorher gewusst hätte, wer Robin ist?«
Molly mochte nicht glauben, dass sie das nun wieder durchkauten, doch sie konnte den Streit nicht beenden. Bei ihrer Freundschaft mit Nick ging es auch um ihr eigenes Selbstwertgefühl. »Du sagst, er habe sich absichtlich mit mir angefreundet, um an sie heranzukommen. Aber wenn das so ist, warum ist er dann immer noch mein
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