Im Schatten meiner Schwester. Roman
volle Lautstärke, sang mit und zeigte Interesse an absolut allem, woran sie vorbeifuhr, um sich von dem abzulenken, was sie nun vorhatte. Kathryn wäre nicht glücklich, doch Mollys Fokus lag auf Robin. Wenn es um Peter Santorum ging, waren ihre Wünsche eindeutig.
Sie parkte unter der Eiche, öffnete die Tür und begab sich direkt in die Küche. Robins BlackBerry lag auf der Theke neben dem Telefon, genau da, wo sie ihn liegengelassen hatte, als sie Montag zum Laufen hinausgegangen war. Es war tot. Typisch. Doch das Ladegerät war in der Nähe. In wenigen Minuten hatte Molly es aufgeladen, um an Peter Santorums Nummer zu gelangen.
Es war Mitte des Vormittags an der Westküste. Sie versuchte sich vorzustellen, was er wohl gerade tat. Das Telefon läutete zweimal, bevor sie ein gepresstes »Hier Santorum« hörte.
Leg auf, Molly. Sobald es geschehen ist, gibt es kein Zurück mehr. Mom wird nicht glücklich sein.
Doch Robin würde es sein. Daran glaubte Molly. Also unterdrückte sie einen letzten Zweifel und sagte: »Hier ist Molly Snow. Ich bin Robins Schwester.«
Am anderen Ende entstand eine kurze Pause, dann erklang ein neugieriges: »Robins Schwester? Wie geht es Ihnen?«
»Nicht gut.« Unsicher, ob sie willkommen wäre, purzelten die Worte aus ihr heraus. »Ich würde nicht anrufen, wenn es nicht ein Notfall wäre. Es hat einen Unfall gegeben. Robin geht es schlecht.«
Mehrere Herzschläge vergingen. »Was für ein Unfall?«
»Ein schwerer Herzinfarkt. Es war das Problem, von dem Sie ihr erzählt haben. Sie ist Montagabend gelaufen und zusammengebrochen. Ein anderer Läufer hat ihr Herz wieder zum Schlagen gebracht, doch wir wissen nicht, wie lange sie bewusstlos war. Sie hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt.«
»Was bedeutet, es geht ihr schlecht?«
»Sie haben sie für hirntot erklärt.«
Er stöhnte, ganz eindeutig außer sich. Seine Stimme klang rauh. »O Gott. Ich hatte Angst – ich habe es einfach gespürt. War sie bei einem Arzt, nachdem ich angerufen habe?«
»Ja. Man hat ihr gesagt, dass sie den Herzfehler hat, aber dass er nicht schwer sei. Keiner hat gesagt, sie dürfe nicht laufen.«
»Hirntot«, wiederholte er niedergeschlagen. »Warten Sie eine Sekunde. Ich bin gerade auf dem Laufband. Lassen Sie mich runtergehen. Ich kann hier nicht denken.« Man hörte den Hauch eines Dialekts.
Sie vernahm Stimmen, das Quietschen einer Maschine im Hintergrund, dann Schweigen. »Besser«, sagte er. »Besteht absolut keine Hoffnung?«
»Sie haben endgültige Tests gemacht. Die Apparate sind alles, was sie noch am Leben hält. Deshalb geht es nicht darum, dass Sie etwas tun könnten, wenn Sie herkämen. Aber ich versuche mir vorzustellen, was sie langfristig von uns wollen würde. Das Einzige, was ich erfahren habe, ist, dass sie Sie kennenlernen wollte.« Auf diese Weise lag der Ball nun in seinem Feld.
»Sie hängt an lebenserhaltenden Apparaten?«
»Ja.«
»Wie lange schon? Was wird Ihre Familie tun?«
»Ich weiß nicht. Es ist erst eineinhalb Tage her, seit der letzte Test gemacht wurde. Wir sind irgendwie hin- und hergerissen.«
»Hin- und hergerissen genug, um vor Gericht zu enden?«, fragte er und klang zum ersten Mal kraftvoll. »Wenn Sie mich einbeziehen, um die Waage zur einen oder anderen Seite ausschlagen zu lassen, dann bin ich draußen. Ich war nicht Teil von Robins Leben. Ich werde nichts zu ihrem Tod sagen.«
Molly hörte nur den ersten Teil dessen, was er sagte. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass er die Entscheidung abwägen könnte. Soviel sie wusste, könnte er sie selbst vor Gericht bringen. Das wäre ein Alptraum, ganz zu schweigen davon, dass Kathryn ihr niemals verzeihen würde.
Sie fragte sich, ob sie einen großen Fehler gemacht hatte, indem sie ihn anrief, als er sagte: »Ich werde nicht Stellung beziehen. Ich habe einmal mit Robin gesprochen. Sie hat nie zurückgerufen. Das hat mir etwas zu verstehen gegeben.«
Molly hörte ihn diesmal, doch sie blieb wachsam. Sie kannte diesen Mann nicht, hatte keine Ahnung, ob er meinte, was er sagte, oder ob er einen Anwalt anrufen würde, sobald er aufgelegt hatte. Sie wollte ihm klarmachen, dass er mit einem Kampf rechnen musste, sollte er das tun.
Mit ihrer besten Kathryn-Stimme erklärte sie: »Keiner will, dass Sie Stellung beziehen. Wir werden entscheiden, was wir tun. Meine Familie steht sich sehr nahe. Wir kommen immer zu einer Übereinkunft, und wir tun immer, was das Beste für Robin ist.« Sie kehrte zu dem
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