Im Schatten meiner Schwester. Roman
das immer in Ordnung.«
Ja. So war es gewesen. Immer. »Ich war es«, sagte sie resigniert. »Mutterschaft ist immer gefährlich. Man versucht, das Richtige zu tun – man glaubt, dass man es getan hat –, und dann wumm.« Ihr Blick kehrte zu Robin zurück. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Charlie.«
»Du wirst es erfahren.«
Sie seufzte. »Wie lange noch?«
Warum ich meine Mutter hasse.
Molly war fasziniert. Kathryn und Robin zusammen zu sehen war, als sähe man zwei Menschen, die vollkommen aufeinander abgestimmt waren. Molly war diejenige, die von Liebe zu Hass und wieder zurück wechselte, nicht Robin.
Warum ich meine Mutter hasse?
Ihr Laptop lag auf einem kleinen Tisch im Innenhof des Krankenhauses, und Molly öffnete die Datei. Sie war mehrere Monate, nachdem Robin von Peter Santorum erfahren hatte, geschrieben worden.
Das ist etwas Neues. Wenn man mich vor zwei Monaten gefragt hätte, hätte ich gesagt, dass ich meine Mutter liebe – warum auch nicht? Sie hat immer bei absolut allem hinter mir gestanden. Ich habe immer geglaubt, sie sei meine beste Freundin.
Doch beste Freundinnen lügen einander nicht an, wenn es um das Grundlegendste im Leben geht. Nun, vielleicht hat sie nicht gelogen. Ich habe sie nie gefragt, ob mein Vater mein richtiger Vater ist – warum sollte ich das tun? Aber es ist eine interessante Überlegung. Was, wenn ich es getan hätte? Hätte sie mir die Wahrheit gesagt? Nein. Die Wahrheit wäre eine Ablenkung gewesen, doch sie will, dass ich mich konzentriere.
»So erledigt man Dinge«, sagt sie immer. »Konzentriere dich. Sei gut in einer besonderen Sache. Lass dich nicht von ablenkenden Gedanken wegziehen.«
Also habe ich nicht gefragt – und sie hat eigentlich nicht gelogen. Doch sie hat nicht die Wahrheit angeboten, und bitte, die Sache mit der Ablenkung trifft es nicht. Ein Mensch hat ein Recht zu wissen, wer sein Vater ist. Hat Mom geglaubt, ich könnte nicht damit umgehen? Hat sie geglaubt, ich sei so zerbrechlich, dass ich zusammenklappen könnte? Hat sie geglaubt, ich würde Dad nicht mehr so lieben? Hat sie geglaubt, ich würde nicht mehr mit Chris und Molly zusammen sein wollen? Als ob ich wirklich woanders hingehen könnte? Als ob dieser mein Vater einfach anruft und Geschenke schickt und will, dass ich Teil seines Lebens werde?
Ich glaube, Mom hatte vor alldem Angst, weil sie mir nicht vertraut. Warum sonst würde sie immer auf alles den Daumen drauf haben, was ich tue? Und ich lasse sie. Ich sage mir, es ist schön, jemand anderen die Show leiten zu lassen. Ich mache einfach nur mit. Ich meine, ich war nie so schlau wie Chris oder so zuverlässig wie Molly. Vielleicht wäre ich nicht gut darin, mein Leben zu führen.
Aber vielleicht ja doch. Ich werde es niemals wissen.
Ich weiß einige Dinge. Von Peter Santorum zu erfahren verändert meine Sichtweise auf alles. Wie zum Beispiel Sport. Einer der Gründe, weshalb die Leute mich für so unglaublich halten, ist, dass ich aus einer Familie stamme, die nicht sportlich ist – als ob ich mit diesem unglaublich glücklichen Talent aus der Gebärmutter geschlüpft wäre.
Ha. Es stellt sich raus, dass mein biologischer Vater Sportler ist. Dasselbe mit meiner Halbschwester. Und meine Tante ist Läuferin. Das macht mich schon weniger zu einem Wunder.
Molly hielt inne. Sie erinnerte sich jetzt an ein Gespräch. Robin fragte sich, ob Charlie wohl ein guter Golfer hätte gewesen sein können – ein
toller
Golfer, hatte sie tatsächlich gesagt –, wenn er regelmäßiger gespielt hätte. »Meinst du, es ist seltsam«, fragte sie, »dass ich die einzige Sportlerin in der Familie bin?« Molly war es wie eine rein philosophische Diskussion vorgekommen, ausgelöst durch Charlies und Kathryns Reise im vorigen Januar, um sich die Pebble Beach National Profimeisterschaften anzuschauen. Hätte Molly mehr hineinlesen sollen?
Ich habe sportliche Fähigkeiten dank Peter. Und nun stellt sich raus, dass ich von ihm auch ein krankes Herz habe – und da ist noch was. Ich bin dreißig, um Gottes willen. Habe ich nicht das Recht zu wissen, was ich geerbt habe? Mom hat ihre Geheimnisse gehütet, aber ist es ihr jemals in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht wissen möchte, ob es in meiner Familie eine Geschichte von Brustkrebs, Diabetes oder HYPERTROPHISCHER KARDIOMYOPATHIE gibt?
Zu erfahren, wer ich bin, verändert meine Sichtweise. Mom sagt immer, dass ich diejenige bin, die meine Karriere vorantreibt –
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