Im Schatten meiner Schwester. Roman
was heißt das, vorantreiben? Was meine Karriere antreibt, sind Erwartungen und Druck. Mom ist die Kraft hinter beidem.
Warum laufe ich? Warum treibe ich mich voran? Warum will ich siegen? Ich tue es, weil es ihr so viel bedeutet. Und warum tut
es das? Vielleicht will sie IHM zeigen, wie gut sie MICH gemacht hat.
Ich hasse sie, weil sie das tut, ohne es mir zu sagen. Ich komme mir vor wie ein Werkzeug – als ob das Einzige, was sie vor mir zurückhält, das Einzige ist, was sie am Laufen hält. Sie stellt sich vor, dass er Artikel in Sports Illustrated und in People sieht. In beiden Zeitschriften waren Bilder von uns beiden, und ihr Aussehen hat sich nicht sehr verändert. Sie nimmt an, er wird mein Alter sehen und die Schlüsse ziehen. Sie will, dass er weiß, dass sie mich besser erzogen hat, als er es jemals gekonnt hätte.
Nun, und was ist mit mir? Bin ich kein Mensch? Habe ich denn nichts dabei zu sagen? Wer lebt denn mein Leben – Mom oder ich?
»Molly?«
Erschrocken blickte sie auf. Nick stand am anderen Ende des kleinen Tisches und starrte sie über ihren Laptop an. Er trug sein übliches offenes Hemd und Freizeithosen, doch sein Gesicht war blass, seine blauen Augen hohl. Seine typische Arroganz war verschwunden, was sie zufrieden hätte machen sollen. Doch er war ein Eindringling.
Sie schloss den Laptop und verschränkte die Hände.
»Du hasst mich«, folgerte er nach einer Minute.
Sie tat so, als dächte sie darüber nach. »Kommt dem nahe.«
»Es tut mir leid.«
Sie wartete. »Ist es das? Du willst, dass wir wieder Freunde sind? Bitte, Nick. Wenn du mich einmal reinlegst, bist du schuld, wenn du mich zweimal reinlegst, bin ich schuld.« Das war einer der Lieblingssätze ihrer Großmutter. An Marjorie zu denken beruhigte sie.
»Es tut mir leid, dass ich dich benutzt habe. Ich habe mich geirrt.«
Wieder wartete sie. Wenn Nick etwas war, dann schlagfertig. Das musste sie ihm lassen. Er sah unglücklich aus. Doch er hatte schon einmal mit ihr gespielt.
»Ich liebe Robin. Ich hätte es dir sagen sollen.« Er sah weg. Seine Hand lag auf dem Handy an seiner Hüfte, seine Finger bewegten sich nervös. »Wenn du etwas wirklich sehr willst, vergisst du, dass es ein Richtig und ein Falsch gibt. Ich wollte, dass Robin mich sah. Ich wollte, dass sie erkannte, dass ich nicht aufgab. Ich wollte, dass sie wusste, dass ich für immer loyal sein würde.«
»Also hast du so getan, als wärst du mein Freund, um an Informationen über sie zu kommen?«, rief Molly aus. »Hast du nicht geglaubt, dass Robin es mitkriegen könnte?«
Er erwiderte ihren Blick. »Wie ich schon sagte, man vergisst, was richtig und was falsch ist.«
Molly erinnerte sich an das, was sie gerade gelesen hatte –
als ob das Einzige, was sie vor mir zurückhält, das Einzige ist, was sie am Laufen hält
. Hier gab es Parallelen. Nick sah mehr als unglücklich aus. Er sah aus, als hätte er Schmerzen. Molly empfand tatsächlich Mitleid für ihn, aber nicht genug, um nachzugeben. Sie wollte eine völlige Enthüllung. Das war sie Robin schuldig.
»Was willst du?«, fragte sie ruhig.
Seine Finger bewegten sich erneut. »Robin sehen.«
»Nicht möglich.«
»Ich will ihr sagen, was ich fühle.«
»Sie wird es nicht hören.«
»Ich werde es tun.«
Doch Molly wollte Robin beschützen. Und Kathryn. »Schreib es auf. Ich werde es ihr vorlesen.«
»Es wäre nicht dasselbe.«
»Keiner außer der unmittelbaren Familie besucht sie, Nick. Du bist Autor. Jemand anders könnte es nicht tun, aber du kannst es.«
Er machte den Mund auf, schloss ihn dann wieder und sah weg. Nach einer Minute wandte er sich ab und ging davon, genauso, wie er es am Dienstagabend auf dem Parkplatz getan hatte. Molly hatte angenommen, dass er jemanden anrufen wollte, doch wenn sie das glaubte, was er jetzt gesagt hatte, war er nur einfach vor Trauer betäubt gewesen.
Als sie wieder allein war, tat er ihr leid – doch dann schimpfte sie sich närrisch, weil es so war. Sie fragte sich, was Robin gesagt hätte. Sie machte ihren Laptop wieder auf und klickte diesmal auf
Warum meine Schwester sich irrt
.
Molly gehört zu den Menschen, die man schütteln möchte. Sie kann nicht sehen, was sich direkt vor ihrer Nase befindet.
Himmel, ich konnte es auch nicht, bis das hier passiert ist. Ich bin dem Hype aufgesessen. Ich glaubte, Mom habe eine Fähigkeit in mir entdeckt und mich zur Größe geführt.
FALSCH . Sie wusste, was das für eine Fähigkeit war, als
Weitere Kostenlose Bücher