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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Stil erbaut. Vor dem Haus lag eine blumenübersäte
Wiese und hinter dem Haus ein baumbestandener kleiner Park. In einer solchen
Villa zu wohnen und eine Jadesammlung zu besitzen, die mehrere Millionen wert
war... Kein Zweifel, die Behandlung von Verrückten brachte eine Menge ein.
    Ein Gärtner in verdreckter Arbeitskleidung und
mit ebensolchem Hut bearbeitete mit einem Spaten ein Blumenbeet. Als ich am
Gittertor läutete, richtete er sich auf und hob den Kopf. Er winkte mir
freundschaftlich zu. Es war Clarimont persönlich, bis zu den Ellbogen mit Erde
bedeckt.
    „Guten Tag“, begrüßte er mich. „Entschuldigen
Sie, daß ich Ihnen nicht die Hand geben kann, aber ich muß mich vorher erst
waschen. Mögen Sie Blumen, Monsieur Burma? Ich liebe Blumen über alles. Ich
pflege sie, wie ich früher einmal meine... äh... na ja...“Er lächelte. „Mir
macht es eben einen Riesenspaß. Kommen Sie hier entlang, ja?“
    Er ging mir ins Haus voran. Dann zog er sich zu
der angekündigten Grundreinigung zurück und bat mich, in einer Art Büro zu
warten. Das Zimmer lag neben dem größten Raum des Erdgeschosses, der mit
Bildern und einigen Glasvitrinen dekoriert war. Um mir die Wartezeit zu
vertreiben, sah ich mir dieses kleine Museum an. Das Glas einer Vitrine war
kaputt, und auf dem Samt, mit dem sie innen ausgeschlagen war, waren noch die
Eindrücke der gestohlenen Gegenstände zu sehen. Die anderen Vitrinen enthielten
winzige grüne Chinoiserien von relativ anzüglicher Form. Möglich, daß sie
einige Milliönchen wert waren; ich jedenfalls hätte, offen gesagt, keine zwei
Francs für den Kram gezahlt. Das gleiche galt für die Schinken, die an den
Wänden hingen. Blöde Landschaften, öde Stilleben mit toten Fischen, das Porträt
einer Frau, der man — das sah man an ihrem Gesicht — die soeben erwähnten
Fische hatte verkaufen wollen oder die jene Fische verspeist hatte. Ich schaute
nach, ob die Schöpfer dieser Schreckensbilder die Frechheit besessen hatten,
mit ihrem Namen zu signieren, und stellte fest, daß die Werke von Clarimont
stammten. Ach ja! Dem Crépu zufolge hatte er die latenten Talente eines
Sonntagsmalers. Na ja, alter Freund... Die „Gemälde“ waren von einer
Inspiration beseelt, die vermuten ließ, daß er mit mehr oder weniger großem
Erfolg einige Motive der Kalender, die zu Jahresanfang von der Post verteilt
werden, kopiert hatte.
    „Kennen Sie sich mit Malerei aus, Monsieur
Burma?“ Clarimont stand vor mir. Er hatte die Kleidung gewechselt und war so
sauber wie ein neuer Sou.
    „Nicht mehr als mit antiken Jadefiguren“,
antwortete ich. „Kleine Entspannung für einen überarbeiteten Psychiater“, sagte
er mit entspanntem Lächeln. „Zum persönlichen Vergnügen.“ Er wurde ernst und
wies auf die kaputte Glasvitrine. „Haben Sie’s gesehen? Es waren meine
schönsten Stücke.“
    „Die Einbrecher haben nur die eine Vitrine
ausgeräumt?“
    „Ja. Müssen wohl Hals über Kopf abgehauen sein,
als sie feststellten, daß Louveau tot war. Aber der Schaden ist auch so schon
beträchtlich.“
    „Ach ja, stimmt! Ein Mann ist ermordet
worden...“
    „Der arme Louveau! Er war zunächst einer meiner
Krankenpfleger und dann mein Butler... Sie wissen, wie es sich zugetragen hat,
nicht wahr? Man hat keinerlei Spuren eines Einbruchs entdeckt. Anscheinend hat
Louveau selbst den Dieben die Tür geöffnet.“
    „War er ein Komplize?“
    „Wer weiß? Inspektor Sébastien... Ja, ich
glaube, so heißt er... Inspektor Sébastien oder, genauer gesagt...“ Ironisch
betonte er jede Silbe. „Po-li-zei-offi-zier Sébastien, denn so heißen sie wohl
jetzt, und ich kann Ihnen versichern, er legt großen Wert auf diesen Titel...“
    Clarimont stieß ein abfälliges Lachen aus. Vom
Geld und anderen Kleinigkeiten einmal abgesehen, hatten wir zumindest eines
gemein, der Doktor und ich: Beide hielten wir nichts von diesem neuartigen
Vokabular, das Inspektoren zu Offizieren macht, Briefträger zu Postzustellern
und Arbeitslose zu Stellungssuchenden. Es zeigt nur, in welch einer saudummen
Scheinwelt wir leben.
    „Der Polizeioffizier also“, fuhr Clarimont fort,
„ein junger, vielleicht etwas zu selbstsicherer Beamter, geht davon aus, daß
Louveau den Dieben die Tür geöffnet hat, er sie folglich kannte und sie
folglich Freunde des Hauses sind. Er denkt an einen neidischen Sammler — der
natürlich unter meinen Freunden zu suchen sei — , der sich die seltenen Stücke
aneignen wollte, um sich ganz alleine

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