Im Schatten von Montmartre
Frauen“, begann Saunières, „die ganz
rechts... Der Kopf gehört einer anderen. Das Foto ist retuschiert worden. Sehr
gut gemacht zwar, aber ich hab’s entdeckt...“ Wollte wohl heißen: Und Sie, was
haben Sie entdeckt, Sie Meisterdetektiv? „Eine Vertauschung von Köpfen. Da
waren wohl ganz schlaue Köpfe am Werk, was?“
„Kann man so sagen! Danke für Ihren Hinweis.“
Schlaue Köpfe!
Ja, jetzt, da ich darauf gestoßen worden war, entdeckte
ich die ungewöhnliche Kopfhaltung der Frau ganz rechts. Jemand hatte der Dame
auf dem Original ein anderes Gesicht verpaßt und dann das Foto abfotografiert.
Warum dieser Schwindel? Zwei Antworten waren möglich: Entweder wollte er das
Gesicht der Frau, die auf dem Bild posierte, verschwinden lassen; oder aber er
wollte die Frau, der das neue Gesicht gehörte, kompromittieren. Ich dachte eine
Weile über die beiden Möglichkeiten nach, ein Gedanke ergab den nächsten... Die
Grübelei, die mich angesichts der Fotomontage befiel, erinnerte mich an das
eigenartige Gefühl, das mich beim Lesen der letzten Artikel über den Mord an
Prunier befallen hatte...
Zusammen mit Hélène las ich noch einmal die
betreffenden Artikel im Crépuscule. Ziemlich schnell entdeckten wir, was
in den letzten Ausgaben fehlte... und was auf den Filmseiten zuviel war.
Ich schnappte mir das Telefon und rief Marc Covet im Crépu an.
„Oh, hallo!“ rief er. „Was Neues in dem
Jadefall?“
„Nein, bisher hat sich noch niemand gemeldet. Da
mich das, was mich angeht, nicht genügend ausfüllt, kümmere ich mich ein wenig
um das, was mich nichts angeht. Ich hätte gerne eine Information über Prunier,
den Toten aus der Rue des Mariniers.“
„Ach, sind Sie in der Sache ebenfalls tätig?“
„Nein. Pure Langeweile. Also: Der Kerl war
Kameramann. In den ersten Artikeln steht das, in den letzten steht das nicht
mehr drin. Gibt’s dafür ‘ne Erklärung?“
„Vielleicht... Keine Ahnung.“
„Darf ich Ihnen eine liefern?“
„Warum nicht? Für einen Fall, der Sie nicht
interessiert, interessieren Sie sich aber ziemlich stark... Na, los!“
„Nehmen wir einmal an, daß Prunier für eine
bestimmte Produktionsfirma als Kameramann gearbeitet hat und daß diese Firma
nicht möchte, daß das bekannt wird. Man könnte der Produktionsfirma sogar einen
Namen geben: Costerbaum-Filmax. Ich habe gesehen, daß Sie mit
Werbeanzeigen für einen Film mit Rita Cargelo, der nicht vor Oktober gedreht
wird, gepflastert sind. Ich meine natürlich nicht Sie, sondern Ihr Käseblatt.
Oktober ist noch weit weg, und die Anzeigen haben keinen rechten Sinn... Es sei
denn... Es gibt so etwas wie einen Schweige-Etat bei jeder Firma... Sie sagen
ja gar nichts, Covet!“
„Schweige-Etat!“ lachte der Journalist. „Fahren
Sie fort, Burma! Sie haben wirklich eine ganz spezielle Art, Hühnerdiebe zu
entlarven.“
„Stimmt! Warum nun will Costerdingsbums
geheimhalten, daß dieser Prunier nicht nur Kameramann, sondern Kameramann bei
Costerdings war? Weil Prunier eine zwielichtige Gestalt war, und weil schon der
bloße Kontakt zu ihm einen in Mißkredit brachte. Die Ermittlungen der Polizei
kommen nicht vom Fleck, das weiß ich. Aber möglicherweise haben die Flics etwas
rausgekriegt, was die Presse mit... ja, mit Stillschweigen eben übergeht.“
„O.k., Burma, Sie haben gewonnen. Und da Sie
sich nicht für den Fall interessieren, kann ich Ihnen ja alles erzählen. Ja,
Prunier war bei Costerbaum beschäftigt. Ja, die Flics haben was
rausgekriegt. Und zwar fast sofort, gleich, nachdem sie die Fingerabdrücke des
Toten in der Hand hatten. Er war ein alter Bekannter von ihnen. Vor rund zehn
Jahren war er in einen Fall verwickelt, bei dem es um die Herstellung und den
Vertrieb von Pornofilmen ging.“
„Ach! Sehr schön.“
„Ja, sie sollen tatsächlich sehr schön gewesen
sein, die Filmehen. Nun, verstehen Sie? Costerbaum legt keinen
besonderen Wert darauf, daß übelwollende Geister — und daran fehlt es nicht! —
auf den Gedanken kommen könnten, daß jetzt, da Prunier ja für sie gearbeitet
hat, die Firma mit Pornos ihr Geld macht. Zwar hat sich Prunier seit der
Geschichte damals nichts mehr zuschulden kommen lassen, aber trotzdem...
Andererseits, warum hätten wir über diese unselige Affäre von damals berichten
sollen? Daß wir sie mit Stillschweigen übergangen haben, wie Sie sagen, schadet
den laufenden Ermittlungen nicht, und vom moralischen Standpunkt aus
gesehen...“
„Was haben Sie da gerade
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