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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ein
paar Probeaufnahmen zu machen und dann mit ihr zum Festival nach Cannes zu
fahren. Großartige Pläne also! Anfangs lief es auch sehr gut. Tagsüber wurde
gearbeitet, nachts getrennt geschlafen... Kurz und gut, Prunier benahm sich
einwandfrei. Am Sonntag vor jenem Montag veränderte sich die Situation. Nach
und nach verlor das Mädchen den Überblick, in ihrer Erinnerung gerät alles
durcheinander.“
    „Hat Prunier versucht, ihr Rauschgift zu geben?“
    „Wahrscheinlich. Und nun kommen wir zu der
geheimnisvollen Frau. Eines Tages... oder eines Nachts... Wann? Simone weiß es
nicht mehr, aber Sie werden gleich sehen, daß es sich nur um den Montag handeln
kann... Simone hört so was wie zwei Schüsse — ,Es knallte zweimal’, sagte sie,
,wie Knallkörper am 14. Juli’ — und eine Frau steht im Zimmer. Vor den Schüssen
oder hinterher? Großes Geheimnis.“
    „Wie sah die Frau aus?“
    „Keine genauen Angaben, außer daß sie eine
Glatze hatte.“
    „Die Frau hatte eine Glatze?“
    „Mal so kahl wie ein Ei, mal mit Haaren Typ
,Löwenmähne’.“
    „Und sonst?“
    „Elegant und alt. Das letzte Detail muß nicht
stimmen. Simone ist neunzehn. In ihren Augen bin ich eine Antiquität. Und
außerdem stand sie unter Rauschgift. Vielleicht handelt es sich sowieso nur um
eine Halluzination.“
    „Vielleicht auch nicht. Die kahlköpfige Frau
kann bei ihrem Kampf mit Prunier ihre Perücke verloren und sie sich dann wieder
auf die Glatze gesetzt haben. Sonst noch was?“
    „Nichts. Als Simone die Frau vor sich sah, war
sie schon so gut wie hinüber. Und danach, tja, danach war sie vollkommen high. Kohlrabenschwarze Nacht.“
     
    * * *
     
    Auch in der Agentur Fiat Lux , Direktor
Nestor Burma, wurde es kurz darauf kohlrabenschwarz, als Reboul und Zavatter
aufkreuzten. Ich brauchte sie gar nicht nach dem Erfolg ihrer Beschattung zu
fragen. Ein Blick in ihr Gesicht genügte, um Bescheid zu wissen: Raphanel war
ihnen durch die Lappen gegangen.
    „Nicht im Auto“, erklärte Zavatter kurz und
knapp. „Sonst hätten wir die Nummer notiert, und mit der Nummer... Nein, zu
Fuß. Stadtbummel. Er ist mit uns sozusagen spazierengegangen. Ein Bistro, ein
Café, ein Geschäft. Dann ein Taxi. Adresse: Avenue Niel. Ende der Taxifahrt in
der Nähe der Rue Bayen. Ein Gebäude mit...“
    Ich übernahm die Vollendung des Satzes:
    „Mit zwei Eingängen.“
    „Mit dreien!“
    „Prima!“
    „Prima?“
    Sofort sprach er wieder normal:
    „Also wirklich, prima! Man braucht nicht viel,
um Sie glücklich zu machen.“
    „Doch, das ist prima“, wiederholte ich.
„Dadurch, daß er Sie abgehängt hat, liefert er den Beweis dafür, daß er weder
Raphanel heißt noch in der Rue de Coulmiers wohnt. Und daß er seinen wirklichen
Namen und seine Adresse vor uns geheimhalten will. Ein vorsichtiger Mensch.
Voller Mißtrauen. Aber noch ist er für uns nicht verloren. Es sei denn, wir
hören nie wieder was von ihm... was ich nicht glaube. Jetzt ist es zu spät, um
noch etwas zu unternehmen. Meine Herren, Sie können sich zurückziehen!“
    Reboul und Zavatter verabschiedeten sich, und
ein wenig später ging auch Hélène.
    Noch ein wenig später, nachdem ich gegessen
hatte und die Nacht hereingebrochen war, hatte ich eine Idee: Ich wollte einen
kleinen Bummel durch die Rue de Coulmiers machen.
     
    * * *
     
    Das Haus, das Etienne Raphanel als Adresse
angegeben hatte, besaß drei Etagen. Die oberste war höher als die übrigen und
verglast, wie ein Maleratelier. Das Concierges-Ehepaar — junge Leute, mit einem
kleinen Schreihals gesegnet, den man schon an der Place Denfert hörte — hatte
diesen Posten wohl aus purem Mitleid seitens des Hauseigentümers bekommen. Die
beiden sahen wirklich nicht wie ein Concierges-Ehepaar aus. Das konnte ich mit
einem Blick durch die Scheibe ihrer kleinen Wohnung feststellen. Ich wollte sie
nicht stören, und das war auch gar nicht nötig. Ein gut sichtbares Schild gab
mir Auskunft: Suzanne Larcher, 3. Etage, Gießer. Mademoiselle
Larcher mußte viel Besuch empfangen, deswegen brauchte sie wohl ein eigenes
Schild. Auf meinem Schleichweg zur Treppe warf ich einen Blick auf die
Briefkästen. Einer, der nicht in die Reihe der anderen paßte, trug die
Aufschrift Raphanel.
    Ich ging die leicht ausgetretenen Stufen hinauf.
Erste Etage. Ein Pappschild an der rechten Tür besagte, daß hier ein Monsieur
Goudard wohnte. An der linken Tür prangte ein Messingschild: Tanguy (der
aus dem Telefonbuch). In der zweiten

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