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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Mademoiselle“, sagte
ich und setzte mein gewinnendstes Lächeln auf. „Ich bin Nestor Burma, der Mann,
der junge Mädchen aus der Tinte zieht, in der sie sitzen. Also, was soll der
Quatsch? Warum halten Sie sich für eine Mörderin? Hören Sie, ich weiß viel mehr
über den Fall als Sie. Vor allem weiß ich, daß Sie nichts damit zu tun haben.
Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, hätte ich das nicht getan, was ich getan
habe.“
    „Ach ja?“ erwiderte sie. „Und warum versteckt
man die Zeitungen vor mir, wenn ich unschuldig bin?“
    „Man wollte Sie schonen. Ihr Vater hätte Ihnen
später, sobald es Ihr Zustand erlaubt hätte, alles erzählt. Aber da Sie den
Ereignissen schon einmal vorgegriffen haben, wird Ihnen Hélène, meine
Sekretärin, alles erklären. Es ist keine lustige Geschichte, aber so tragisch,
wie Sie vermuten, ist sie auch wieder nicht. Jedenfalls nicht für Sie.“
    „Genau!“ bekräftigte Vater Coulon. „Geh mit
Mademoiselle auf dein Zimmer, Simone, ja?“
    Sie nickte, und die beiden jungen Frauen gingen
hinaus. „Glauben Sie, Ihre Sekretärin wird sie von ihrer Unschuld überzeugen
können?“ fragte Coulon unsicher, als wir alleine waren.
    „Sie wird’s versuchen. Hélène ist sehr klug.“
    „Verdammt nochmal! Diese Scheiß-Filmerei!“
fauchte er. „Morgen fahren wir aufs Land, das ist beschlossene Sache. Ich hab
ein Haus in Eure-et-Loire, da gibt es nicht mal ‘n Kino! Wir werden uns dort
niederlassen, bis Simone alles vergessen hat, bis sie wieder normal ist...
Diese Leute vom Film! Diese verdammten Filmfritzen! Rita Cargelo ist eine nette
Frau, aber ich werd sie am Ende noch hassen, das fühle ich.“
    „Warum? Sie hat mit dem Abenteuer Ihrer Tochter
nichts zu tun. Sie selbst haben mir doch gesagt, daß sie alles getan hat, um
Simone von der Filmidee abzubringen.“
    „Ja, ja... Trotzdem! Was hat Sie dazu gebracht,
Burma, Rita in Cannes anzurufen, um ihr zu erzählen, daß Simone wieder zu Hause
ist? Sofort hat sie bei mir angerufen. Und ich Blödmann verrate ihr auch noch,
daß Simone deprimiert ist...“ Ich unterdrückte einen Stoßseufzer. Dank dieser
Coulons, Vater wie Tochter, ihrem Verhalten und ihrem Gequatsche, würde ich
bald im Knast landen!
    „Ohne Einzelheiten zu erwähnen,
selbstverständlich“, fuhr der Dicke fort. Zum Glück, dachte ich. „Rita ist eine
nette Frau, wie gesagt, aber sie vergißt, was sie für Simone bedeutet. Sie will
doch tatsächlich, daß ich sie ihr anvertraue! Was Simone fehle, sei eine
Mutter, behauptet sie. Oder jemand, der diese Stelle einnimmt. Meinetwegen.
Irgendeine Frau, aber keinen Filmstar! Ich will nicht, daß jemand, der mit dem
Film zu tun hat, in die Nähe meiner Tochter kommt. Hab die Schnauze gestrichen
voll, vom Film und...“
    Ich ließ den Dicken seine Filmphobie frei
ausleben. Unterdessen kamen Hélène und Simone zu uns zurück. Simone machte
einen verstörten Eindruck, doch war aus ihrem Blick die Furcht gewichen, die
ich eben noch bei ihr bemerkt hatte. Jegliche Gefahr, daß die Kleine aus
eingebildeten Schuldgefühlen heraus Dummheiten begehen würde, schien gebannt.
    Auf der Rückfahrt zur Agentur erstattete Hélène
Bericht: „Die trübe Brühe hat sich einerseits aufgeklärt, ist aber andererseits
noch trüber geworden“, sagte sie. „Tier, Pflanze oder Mineral? Ist Pruniers
Mörder ein Mann oder eine Frau? Ist die Person, die Sie in jener Nacht
angerufen hat, männlich, weiblich oder ein Neutrum? Eine Frau ist auf jeden
Fall mit im Spiel... Aber fangen wir ganz von vorne an: Nachdem ich die Kleine
von ihrer Unschuld überzeugt hatte — wie ich hoffe! — , ließ ich mir von ihr
die Vorgeschichte ihres Abenteuers erzählen. Sie hat Prunier vor ein paar
Monaten in den Costerbaum-Studios kennengelernt, als sie Rita Cargelo wieder
einmal besuchte. Die Schauspielerin und der Kameramann arbeiteten nämlich am
selben Film. Ich hab Simone gefragt, ob Rita Cargelo wisse, daß sie Prunier
dort kennengelernt habe. Nun, Mademoiselle Cargelo weiß es nicht. Simone hat
sich vor ihr versteckt. Und nicht nur vor ihr. Wenn ich’s richtig verstanden
habe, hat sie sich vor allen Leuten versteckt.“
    „Auf Veranlassung von Prunier?“
    „Das weiß ich nicht. Das Ganze ist ziemlich
konfus.“
    „Erzählen Sie weiter.“
    „Prunier hat sie mit Schmus besoffen gemacht,
und als sie soweit war, hat er sie überredet, zu ihm nach Hause mitzukommen,
hat ihr den Brief an den Vater diktiert usw. Der Kerl hat ihr versprochen,

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