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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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wiedererkannt haben. Hab über
Nacht ein ganz andres Gesicht gekriegt. Scheiß-Polypen!“
    „Reg dich nicht künstlich auf, Milo!“ mischte
sich die Blondine ein. „Hier, trink ‘n Schluck! Wird dir guttun.“
    Sie reichte ihm den Pastis, den sie soeben
gemixt hatte. Pastis um diese Uhrzeit! Ihre Uhr mußte stehengeblieben sein.
„Wolln Se auch einen, M’sieur?“
    Warum eigentlich nicht. Andre Länder, andre
Sitten. Man soll sich immer den Sitten der Gegend anpassen, in der man sich
aufhält. Also Pastis in Barbès, mitten in der Nacht! Wir stießen an. Eis gab es
keines, aber Krieg ist Krieg.
    Die blonden Beine sehr hoch
übereinandergeschlagen, eine Brust halb im Freien, so saß Mado auf der
Bettkante und trank ihr Glas leer, als wär’s Milch mit Honig. Das gleiche galt
für Milo, jedenfalls was das Glas betraf.
    Aus den Tiefen des Hotels drangen die Geräusche
sündigen Treibens zu uns. Praktisch ohne Unterbrechung kullerte und gurgelte es
in den Wasserleitungen, so daß der gesamte Bau erzitterte. In der Liebesfabrik
herrschte Hochbetrieb. Von Zeit zu Zeit übertönte ein fernes Grollen den Lärm:
Die Metro donnerte über die Brücke von Rochechouart.
    „Nun, Milo“, begann ich, „betreibst du immer
noch das Geschäft mit deinen Nacktbildchen?“
    „Natürlich, aber im Moment, mit dieser Fresse...“
    „Genau deswegen bin ich hier. Wegen der
Bildchen, meine ich.“
    „Ach! Sie interessieren sich für solche Fotos?“
    „Sozusagen auf höherer Ebene, ja. Ich meine
Fotos, die man als ,Familiäre Freuden’ bezeichnen könnte.“
    „Familiäre Freuden!“ gluckste die Blonde. „Ist
ja verrückt!“
    „Moment!“ rief Milo. „So was habe ich nicht auf
Lager. Was ich hab, sind mißverstandene Akte.“
    „Aber du könntest mir einen Tip geben. Sollte
mich wundern, wenn du keinen kennst, der auf der Porno-Masche rumreitet.“
    „Rumreitet ist gut“, lachte Mado.
    „Meinen Sie die, die Nacktfotos auf der Straße
verkaufen?“
    „Die und die Leute, die etwas höher auf der
Leiter stehen.“
    „Tja, mein Lieber, solche Leute kenn ich nicht.
Jetzt...“
    Er verstummte, bettete seinen schmerzenden
Körper auf die Matratze, schloß die geschwollenen Augenlider und schien zu
lauschen.
    „Das ist ja komisch“, murmelte er mehr zu sich
selbst.
    Er wechselte die Stellung und stützte sich auf
seinem Ellbogen auf.
    „Sie suchen also Pornofotos?“ fragte er
grinsend.
    „Mehr oder weniger.“
    „Hm... Hören Sie, Burma. Seit ich im Knast war,
hab ich keinen Franc mehr verdient. Und ein paar Tage muß ich wohl noch ohne
Arbeit auskommen. Außerdem werden mich die Flics in der nächsten Zeit vorladen.
Widerstand gegen die Staatsgewalt oder so. Bestimmt hat sich einer der
Uniformierten bei der Aktion den Fingernagel verbogen... Kurz und gut, ich
brauche Geld. Vielleicht hab ich Ihnen was anzubieten.“
    „Einschlägige Fotos?“
    „Haben Sie schon mal was von Marquini gehört?“
    „Nein. Ist das einer deiner Kollegen?“
    „Mit solchen Leuten gebe ich mich nicht ab! Ich
kenn ihn eben, nur so, mehr nicht. Gut, also dieser Marquini wurde vor rund
einem Monat umgebracht. Können Sie in der Zeitung nachlesen. Er kam aus einem
Nachtclub, und ich kam zufällig grade vorbei. Hab die Jagd auf ihn mitgekriegt.
Eingegriffen hab ich natürlich nicht. Marquini wurde auch ,der Marquis“
genannt, wie ‘n Adliger. Wissen Sie, was das für einer war?“
    „Nein.“
    Milo, der Meister des suspense !
    „Sag du’s ihm, Mado“, forderte er seine Freundin
auf. „Ich hol inzwischen etwas Luft. Mit meiner kaputten Visage kann ich ja
kaum sprechen.“
    „Ein Drogenboß war das“, sagte die Blondine.
„Stand natürlich nicht auf seiner Visitenkarte, aber gewußt hat’s jeder. Na ja,
ich verrate Ihnen damit sicher nichts Neues, oder?“
    Sie verriet mir in der Tat nicht viel. Das Ganze
stank zehn Meilen gegen den Wind nach Bluff. Milo zog den Spaß ein wenig in die
Länge, um mir soviel Geld wie möglich aus der Tasche zu ziehen. Wollte einfach
abkassieren, das war alles. Während seine Freundin weiterredete, ohne etwas zu
sagen, bereitete er in seinem Kopf den weiteren Verlauf des Gesprächs vor. Als
er sich ausgeruht und Luft geholt und seine trockene Kehle mit Pastis
angefeuchtet hatte, mischte er sich wieder ein:
    „Ja, ‘n Drogenboß! Ich weiß nicht, ob Sie im
Bilde sind, was Rauschgift angeht, aber im Moment ist der Markt tot. Totale
Flaute! Kurz, Rauschgift ist zur Zeit gleich Null! Deswegen hat sich

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