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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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schwer verletzt worden und hatte sich zwei Stunden lang auf
dem Autofriedhof versteckt. Um ein Uhr nachts hatte er sich bis zu einer etwas
belebteren Straße schleppen können. Ein später Passant war ihm zu Hilfe geeilt
und hatte die Polizei alarmiert.
    Erste Aussage von Paulot über den Ort des
tödlichen Geschehens und Besuch desselben durch die Ordnungshüter. Dort
Entdeckung der drei Leichen. Später dann genauere Untersuchung des
Schießplatzes, die — neben anderen, unwichtigen Einzelheiten — ergab, daß ein
Raum des Wohnhauses als Fotolabor eingerichtet worden war.
    Jeder hat das Recht, seine Fotos selbst zu
entwickeln. Deswegen schien man diesem Umstand nicht viel Bedeutung
beizumessen. Um Paulot nach einer Erklärung dafür zu fragen, war es dann
allerdings zu spät gewesen: Der Gangster war inzwischen seinen Verletzungen
erlegen.
    Apropos Verletzungen: Man glaubte zu wissen, daß
es auch den Professor erwischt habe. Verhaftungen standen unmittelbar bevor.
Wie üblich; insbesondere suchte man den Eigentümer des tragischen Gebäudes,
einen zwielichtigen Schrotthändler. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
    Daß von einem Fotolabor die Rede war, deutete
ich als gutes Zeichen. Man wäre schweigend darüber hinweggegangen, hätte man
gewisse Fotos entdeckt... Kompromittierende Fotos... Anlaß für das Blutbad, wie
ich vermutete. Zum Glück hatte ich wohl alles zusammenraffen können.
    Und dieses „alles“ beulte nun die Ledertasche
aus, mit der ich um 15 Uhr in der Avenue Foch erschien.
     
    * * *
     
    Er trug keinen Schnurrbart mehr. Auch die Brille
war verschwunden. Nur seine schlaffen Gesichtszüge, die er schlecht
verheimlichen konnte, waren geblieben. Die für sein Vorgehen nötigen
Bürstenhaare waren dabei zu wachsen und würden schon bald ihre normale Länge
wiedererlangt haben. Wenn er gelächelt hätte, wäre er dem Foto in den Zeitungen
vollkommen ähnlich gewesen („der Bräutigam des Jahrhunderts, der charmante und
reiche Reeder Louis Rigaud, auf dem Foto links“). Louis Rigaud für die
Zeitungsleser, Etienne Raphanel für Nestor Burma.
    Ein stocksteifer Butler führte mich und meine
Ledertasche in einen Salon mit geöffneten Fenstertüren, die auf einen sonnigen
Garten hinausgingen. Der große Raum war luxuriös eingerichtet. An den Wänden
hingen Gobelins, auf denen Karavellen und Galeonen abgebildet waren.
    Rigaud-Raphanel stand mitten im Salon. Der Blick
seiner grauen Augen glich dem eines verwundeten Tieres.
    Ich ging sogleich zum Angriff über:
    „Ich bin nicht als Feind gekommen. Sie haben mir
einen Auftrag erteilt, und ich habe ihn ausgeführt. Als Sie mir dann den
Auftrag entzogen, war alles schon unter Dach und Fach. Ich bin nur gekommen, um
Bericht zu erstatten.“
    Er betrachtete mich regungslos. Ich öffnete die
Tasche, holte einige Fotos heraus und reichte sie ihm. Er nahm sie mit
zusammengebissenen Zähnen und angewidertem Gesichtsausdruck entgegen.
    „Ich habe allen Grund zu der Annahme“, sagte
ich, „daß der manipulierte Abzug, dessen Herkunft ich ermitteln sollte, bereits
mehrere Jahre alt ist. Diese Fotos hier, alle mit derselben Darstellerin, wenn
ich das mal so sagen darf, sind neueren Datums. Ich nehme an, daß man Ihnen ein
paar Kostproben hat zukommen lassen, oder?“
    „Ja“, erwiderte er.
    Er hatte seine Sprache wiedergefunden!
    „Man“, fuhr ich fort, „ist in diesem Falle ein
eleganter Herr mit ehrwürdig weißen Haaren und einem weißen Augenfleck, der ihm
einiges von seiner Vornehmheit nimmt.“
    Er nickte zur Bestätigung. Immer noch stand er
wie angewurzelt mitten im Raum.
    „Er hat Sie angerufen, hat Ihnen ein Geschäft
vorgeschlagen, Sie sind sich einig geworden, und eine der Bedingungen für diese
Einigung war es, mir den Auftrag wieder zu entziehen, damit ich nicht weiter
herumschnüffele. Stimmt’s?“
    „Ja.“
    „O.k. Diesen Aspekt des Problems wollte ich erst
einmal geklärt haben. Ausgezeichnet. Und nun, Monsieur Rigaud, wie finden Sie
die Fotos? Gut imitiert, was?“
    „Imitiert?“ rief er aus.
    „Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, daß
Sie glauben, Mademoiselle Cargelo posiere tatsächlich auf diesen Fotos, oder?
Gut gemacht, einverstanden. Ich muß gestehen, daß auch ich darauf
hereingefallen bin. Ich habe die... äh... Schöpfung im Arm gehalten, ihr
Gesicht war zehn Zentimeter von meinem entfernt. Als ich dann aber darüber
nachdachte, warum sie mich nicht wiedererkannt hat... Sie wissen doch sicher,
daß ich

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