Im Schatten von Montmartre
noch
einmal das Für und Wider ab und nahm mir schließlich das Schloß vor. So sehr
ich mich auch bemühte, es wollte nicht nachgeben. Ich bemühte mich also nicht
weiter und machte mich mit dem Gedanken an eine Kletterpartie vertraut. Der
Entschluß war gefaßt. Auf die Art der Gesetzesübertretung sollte es mir nicht
ankommen!
Ohne Schwierigkeiten gelangte ich auf die andere
Seite der Mauer. Im Schutze der Bäume näherte ich mich der Villa. Dann verdeckten
weder Baum noch Strauch mir die Sicht auf die Rückseite des Hauses. Ich blieb
stehen, um sie zu betrachten, lauerte auf das leiseste Geräusch, auf das
flüchtigste Licht aus dem Innern des Kastens. Alles war stockfinster und still.
Übrigens hätten meine vergeblichen Versuche am Telefon sowie an der
Gartenpforte genügen müssen, um mich davon zu überzeugen, daß Clarimont sich
überall aufhalten konnte, nur nicht bei sich zu Hause. Worauf wartete ich dann
noch? Er konnte jeden Augenblick hier aufkreuzen.
Ich ging auf den relativ hellen Fleck zu, den
ich an der Rückseite bemerkte: eine Glastür.
Im Schein meiner Taschenlampe taxierte ich das
Schloß. Es war eins der gutmütigen Modelle. Ein Kinderspiel. Den Versuchen
meines Universal-Dosenöffners gab es ohne Bedenken nach. Wie ein betrunkenes
Dienstmädchen am Abend des Nationalfeiertages!
In der Küche stank es nach angebranntem Fett.
Ich verließ diesen übelriechenden Ort und gelangte auf einen Korridor, der mit
einem Teppich ausgelegt war.
Ich orientierte mich, so gut es ging,
durchquerte den Salon mit seinen Kunstschätzen (Jadefiguren und Bilder
verschiedener Machart, aber alle mit „Clarimont“ signiert) und kam in das Büro,
in dem der Arzt mich neulich empfangen hatte, um mir die Liste der gestohlenen
Objekte auszuhändigen. Wenn sich seine andere, cinematographische Sammlung
irgendwo befand, dann nur hier!
Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe in alle
Ecken und Winkel. Das Deckenlicht anzuknipsen, wagte ich nicht.
Das Ergebnis meiner Suchaktion war enttäuschend.
Ich begann zu schwitzen. Ich und meine Sondereinsätze! Das Drahtseil, auf dem
ich balancierte, würde mir bald die Kehle zuschnüren...
Zwischen zwei Bücherregalen entdeckte ich eine
Tür. Gut, die wollte ich noch öffnen (nur, um nichts versäumt zu haben!), dann
würde ich mich vom Acker machen.
Ich öffnete die Tür. Meine Taschenlampe
beleuchtete die ersten Stufen einer kurzen Treppe, die nach unten führte. Gewiß
riskierte ich nicht sehr viel, wenn ich hier im Keller Licht machen würde. Ich
fand einen Schalter und betätigte ihn. Das plötzliche, grelle Licht blendete
meine Augen. Ich schloß sie, riß sie aber sogleich wieder auf. Sie hatten etwas
ganz Außergewöhnliches gesehen.
Vor mir lag ein kleiner Vorführraum mit einer
Leinwand an der Rückwand. Dies war sicherlich der Ort, an dem Clarimont früher
seine beruhigenden, heilenden Filme vorgeführt hatte. Jetzt diente er ihm zu
seinem Privatvergnügen. Hier und da standen ein paar Stühle. Spiegel waren,
ebenfalls hier und da, an den Seitenwänden zwischen Vertäfelungen angebracht
und warfen sich ihre Bilder tausendfach zu. Vorhänge warteten darauf, bei
Bedarf zugezogen zu werden und die Spiegel zu bedecken.
Drei Frauen befanden sich in dem Raum. Drei
Frauen, die irgend etwas im Dunkeln getrieben hatten und bei meinem Eintreten
gespensterhaft erstarrten. Eine von ihnen, in einem duftig-luftigen Kleid, saß
mit vorgebeugtem Oberkörper auf einem Stuhl, was einen kühnen Blick auf ihr
Dekolleté erlaubte. Eine zweite stand vor ihr, eingehüllt in die fließenden
Falten eines kunstvoll drapierten, kostbaren Stoffes. Die dritte stand
ebenfalls...
Ihr nackter Oberkörper war mit Ketten und ihre
Handgelenke mit Handschellen gefesselt.
Ich näherte mich wie unter der Einwirkung einer
Droge, spürte nicht, wie meine Füße den Boden berührten. Ich schwebte wie im
Traum.
Die Frau im Faltenwurf und die Frau auf dem
Stuhl hatten beinahe das gleiche Gesicht wie die Frau in Ketten...
Und die Frau in Ketten war Simone Coulon.
* * *
Schallendes Gelächter ertönte, brandete auf wie
hoher Seegang. Ein dröhnendes Gelächter, das durch die Spiegel vervielfacht zu
werden schien, ein wahnsinniges Gelächter, ein dämonisches Gelächter, das
Gelächter eines vollkommen Verrückten.
Wer das Gelächter ausstieß, war ich! Je lauter
ich lachte, desto mehr verschwand meine Angst. Als es endlich verebbte, hatte
ich meine Kaltblütigkeit zurückgewonnen.
Die drei
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