Im Schatten von Montmartre
böse wär.“
Auf der Schreibunterlage vor ihm lag ein
Aktenordner, mit dem er schon die ganze Zeit über herumspielte. Jetzt öffnete
er ihn. Das Licht der Schreibtischlampe fiel hart auf Glanzpapier und blendete
mich.
„Sehen Sie sich diese Fotos an, Burma!“
Verdammt! Clarimont mit seinen Jadefiguren war
ihm schnurzegal. Deswegen hatte er mich nicht herbestellt. Nein, er wollte mich
mit den Vorfällen in Bagneux konfrontieren. Nun ja, „Sehen Sie sich diese Fotos
an“, hatte er gesagt. Gut, ich sah sie mir an. Aber auf das, was ich sah, war
ich nun wirklich nicht vorbereitet.
Vielleicht waren es die knorrigen Baumwurzeln
auf dem ersten Foto. Ich weiß es nicht. Jedenfalls stieg mir ein Geruch von „nasser
Erde und Schnecken“ in die Nase. Andere Fotos, nicht unter freiem Himmel
geschossen, zeigten das reichlich ramponierte Gesicht des Mannes, der auf dem
ersten Foto neben dem Baum lag.
„Wer ist das?“ fragte ich.
„Sébastien.“
„Séb... Ach du Scheiße! Was macht der denn unter
dem Baum?“
„Er wartet auf das Jüngste Gericht. Das kommt
davon, wenn man lauter furzt, als es der Hintern erlaubt!“ schimpfte Faroux.
Nach dieser besonders gelungenen Grabrede fuhr
der Kommissar sachlicher fort:
„Wir hatten seit einer Woche nichts mehr von ihm
gehört, aber sein Verschwinden nicht an die große Glocke gehängt. Und jetzt so
was! Gestern nachmittag wurde er im Wald von Verrières ausgegraben. Ein Bauer
hatte gemeint, die Gangster von Bagneux in der Nähe gesehen zu haben. Na ja,
Gangster haben wir keine gefunden, aber unsere Hündchen haben Sébastien
ausgebuddelt. Tja, Burma! Sébastien war ein ganz Eifriger. Brütete immer irgend
etwas aus, heimlich, still und leise. Kurz, ein blöder Hund! Nur, daß dieser
blöde Hund zu unserer Truppe gehörte! Sie können sich vorstellen, daß wir alles
dransetzen werden, um den Täter zu fassen. Jedes Detail ist wichtig. Ich rechne
fest mit einigen Tips von Ihrer Seite, Burma!“
„Was für Tips?“ fragte ich unschuldig.
„Dr. Clarimont hat Sie mit der Suche nach seinen
Figuren beauftragt. Ich hatte gedacht, daß Sie im Laufe Ihrer Ermittlungen...“
„Oh, meine Ermittlungen!“ rief ich. „Sie wissen
doch, worin in solchen Fällen die Ermittlungen bestehen, oder?“
„Ja, schon, aber wenn die Diebe Kontakt mit
Ihnen auf genommen haben... Ich klammere mich an jeden Strohhalm, verstehen
Sie? Aber reden wir nicht mehr darüber... Zumal wir nicht einmal wissen, ob
sein Tod in Zusammenhang mit den Jadefiguren steht. Schließlich war er noch mit
anderen Fällen betraut. Und manchmal mischte er sich sogar noch in die Arbeit
von Kollegen ein! Nein, faul war er wirklich nicht... Verdammt und zugenäht,
Burma! Entschuldigen Sie meine Anschnauzerei, aber ich bin auf hundert! Seit
seinem Verschwinden hatte ich schon das dumme Gefühl, daß er wieder einen
seiner Eiertänze aufführte. Scheiße! Mit Leuten, die nur nach ihrem eigenen
Kopf handeln, kann man einfach nicht vernünftig Zusammenarbeiten! Er muß sich
wohl mit einem seiner V-Männer getroffen haben, und bei diesem Treffen hat’s
ihn dann erwischt. Mit einem V-Mann, den wir nicht kennen. Denn auch darin war
Sébastien eigen! Behielt seine heißen Adressen immer schön für sich. Das hat er
nun davon, der Herr Polizeioffizier! Eine Woche Camping unter feuchter Erde im
Wald von Verrières!“
„Wie ist er umgebracht worden?“ erkundigte ich
mich, um ein wenig Ordnung ins Gespräch zu bringen und dem Kommissar die
Möglichkeit zu geben, zu Atem zu kommen. „Das könnte doch immerhin ein Hinweis
sein...“
„Glauben Sie an Wunder? Ein Schlag auf die Rübe
mit anschließender Strangulation. Der Schlag ist ziemlich merkwürdig und könnte
einen Hinweis liefern, wie Sie sagen. Aber weit führt uns das leider nicht. Die
Analyse von Partikeln, die man zusammen mit Erde in seiner Kopfwunde gefunden
hat, läßt vermuten, daß er mit einer Wachspuppe niedergeschlagen wurde.“
„Das führt Sie doch zumindest ins Museum
Grévin“, lachte ich und stand auf. „Brauchen Sie mich noch?“
„Nein. Sie können gehen, mein Lieber. Und
entschuldigen Sie noch einmal meine Stinklaune. Aber wenn ich an diesen
Blödmann denke...“
Ich ließ ihn mit seiner Stinklaune und seinen
Leuten — eine große, vereinte Familie, warmherzig und brüderlich! — Überstunden
absolvieren und fuhr nach Hause.
* * *
Daß der Polizeioffizier Sébastien sich während
seiner laufenden Ermittlungen im Fall
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