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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nur kurze Zurufe. Wo immer ich mich befand, hier wurde hart gearbeitet. Es stank nach Öl und Fett. Und es roch nach trocke-nem Papier. Das war ein Geruch, den ich noch im Grab erkennen wür-de, so glaubte ich und dachte, daß ich vielleicht bald würde feststellen können, ob es tatsächlich so war.
    Die Schritte mehrerer Männer drangen an meine Ohren, und ich hörte Maître Gaspards befehlsgewohnte Stimme: »Schnürt das Paket auf! Der Schnüffler hat lange genug geschlafen.«
    Der Sack wurde gepackt und herumgeworfen. Ich schlug mit dem Kopf gegen etwas Hartes, wohl eine Mauer, und hielt es nur noch für eine Frage der Zeit, bis mein Schädel aufplatzen würde wie ein fallen-gelassenes Ei.
    Licht von Lampen und Kerzen stach in meine Augen, als kräftige Hände mich aus dem Sack zerrten. Rasch kniff ich die Augen zu und ließ mich auf den Boden fallen, in der Hoffnung, daß man mich für bewusstlos hielt und abwartete. Ein Schwall Wasser schwemmte die Hoffnung hinweg. Hustend und prustend konnte ich nicht länger den Schlafenden mimen. Also öffnete ich die Augen und sah mich drei Männern gegenüber, die allesamt Lederschürzen trugen. Zwei hielten Messer in den Händen und schienen nicht zu wissen, ob sie damit meine Fesseln oder meinen Lebensdocht durchtrennen sollten. Der dritte Mann, ein wahres Fass von einem wuchtigen Kerl, der mit den in die Hüften gestemmten Händen noch breiter wirkte, mußte Maître Gaspard sein.
    »Schneidet die Fesseln durch«, befahl er, und ich atmete auf. »Der Jammerlappen kann uns nicht entkommen.«
    Die Stricke fielen von meinen Hand- und Fußgelenken, und ich rieb ungelenk die schmerzenden Glieder. Mühsam erhob ich mich.
    »Geht’s besser?« fragte Gaspard ohne echte Anteilnahme.
    »Ja, allmählich.«
    »Ah, sprechen kannst du also, na fein. Dann rück mal raus mit der Sprache! Wie heißt du, und warum hast du die Falourdel nach dem Mord ausgefragt?«
    »Warum wollt Ihr das wissen?«
    Einer von Gaspards Männern rammte mir den Ellbogen in die linke Niere. Ich schrie auf vor Schmerz.
    »Beantworte meine Fragen, dann mußt du nicht schreien.« Ein hä-
    misches Grinsen überzog Gaspards Pfannkuchengesicht. »Also, wie ist dein Name?«
    »Ich heiße Poncet und bin neu hier in Paris«, log ich, um mir weitere schmerzhafte Knüffe zu ersparen. »Wenn ich also durch irgendeine Dummheit Euren Unmut erregt haben sollte, verzeiht mir bitte.«
    »Eine Dummheit war’s gewiß, die alte Falourdel so auszuhorchen«, erwiderte Gaspard. »Was geht dich der Mord an, he?«
    »Ach, es war nur Neugier. Ich finde solche Geschichten recht anregend und wollte …«
    Weiter kam ich nicht. Ein knappes Nicken von Maître Gaspard, und diesmal erhielt ich zwei Stöße gleichzeitig, einen in jede Niere. Der Schmerz warf mich um, war ich doch ohnehin recht wacklig auf den Beinen. Der bittere Geschmack von Galle stieg mir in die Kehle. Ich würgte und spuckte. Bunte Sterne und schwarze Streifen tanzten vor meinen Augen.
    »Bringt ihn in die Werkstatt!« befahl Gaspard. »Wir müssen wohl ein wenig geschickter vorgehen, um seine Zunge zu lösen.«
    Die beiden anderen packten mich unter den Achseln und schleiften mich aus einem Abstellraum in einen größeren, wo drei weitere Männer mit Lederschürzen ihrer Arbeit nachgingen. Sie sahen mich neugierig, aber ohne Mitgefühl an. Sofort war mir klar, daß ich von niemandem hier Hilfe zu erwarten hatte.
    »Wenn du versuchst abzuhauen, hat das schmerzhafte Folgen«, warnte mich Gaspard. »Schreien kannst du, soviel du willst, es wird dir nichts nützen. Auf dem Hof da draußen ist keiner, und die Scheiben sind dick und außen wie innen mit noch dickeren Läden verriegelt.«
    Ich sah die hölzernen Bretter an der Wand. Die Fenster hätten ein Fluchtweg sein können, aber nicht, solange sie verriegelt waren.
    »Vielleicht sollten wir ihn ein wenig rösten.« Einer der beiden, die mich gepackt hielten, zeigte auf einen großen Herd, auf dem ein Kessel dampfte. Ein Mann schürte das Feuer, ein anderer rührte mit einem langen Holzlöffel in dem Kessel. Ein dritter saß in der Nähe des Herdes an einem Tisch vor einer Münzwaage und sortierte Silbermünzen.
    Einige Münzen wanderten in einen Sack, andere in den Kessel.
    Und da begriff ich, welcher Arbeit Maître Gaspard und die Seinen nachgingen. Sie waren Kipper und Wipper. Falschmünzer. Und daß sie mir ihr Geheimnis offen legten, bedeutete, daß sie mich nicht lebend entkommen lassen würden!
    »Nein, nicht das

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