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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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ihrem Teufelshaus opfern, wie es mit Phoebus geschehen war!
    Ich sprang auf und wollte aus der Kammer stürmen, doch die heftige Bewegung steigerte den Schmerz in meinem Kopf um ein Vielfaches.
    Die unsichtbaren Finger schlossen sich mit einem Ruck und zer-quetschten mein Gehirn wie einen faulen Apfel. Alles verschwamm vor meinen Augen und löste sich in dem schmerzhaften Stechen auf, das meinen Schädel durchzuckte, als würden von allen Seiten Klingen hineingebohrt.
    Rutschte ich im vergossenen Wein aus, oder versagten meine Beine einfach den Dienst? Ich stürzte, stieß mit dem Kopf gegen die Holztruhe, und neuerliche Schmerzwellen fluteten durch meinen Schädel.
    Als die Nebelschleier sich lichteten und mein Blick sich klärte, erkannte ich, was das Knarren und Ächzen ausgelöst hatte: Schritte auf der Stiege. Ich sah schmutzige Stiefel, Hosen, Jacken. Harte, barts-truppige Gesichter, die mich düster und mitleidlos anstarrten. Kräftige Hände, die Dolchgriffe oder Knüppel umklammerten. Und mittendrin das ewig grinsende Gesicht der Falourdel.
    Einer der Knüppel schoß auf mich zu, traf meinen Kopf, und ich versank erneut im Nebel, dem dichtesten, der jemals über der Seine gelegen hatte. Das letzte, was ich wahrnahm, war das heisere Kichern der Kupplerin.

Kapitel 4
    Gutenbergs Rache
    Ich war gefangen in Dunkelheit und Bewegungslosigkeit. Um mich herum war Stoff, ein Sack. Ich war viel zu benommen, um das grobe Leinen zu durchstoßen, und hätte es auch gar nicht vermocht. Denn was so schmerzend in meine Haut schnitt, mußten straffe Fesseln sein.
    Der Sack wurde von jemandem auf der Schulter getragen und dann höchst unsanft auf etwas Hartes geworfen, auf hölzerne Planken. Ich hörte flüsternde Stimmen, dann ein Plätschern, und ein erneutes Schaukeln ließ mir übel werden. Ein Boot auf dem Fluss! war mein letzter flüchtiger Gedanke, bevor mir die Sinne schwanden.
    Ich wachte erst wieder auf, als Stimmen die Betäubung durchbra-chen. Noch immer war ich gefesselt und von dem Sack umhüllt. Trok-kener Staub verklebte mir Mund und Nase, aber ich unterdrückte den Drang, zu husten und zu spucken. Ich spürte, daß es wichtig war, weiterhin den Ohnmächtigen zu spielen. Vielleicht lag es daran, daß mir eine der beiden Stimmen bekannt vorkam, ohne daß ich sie einord-nen konnte. In meinem Kopf war ein ständiges Summen und Brummen, wohl die Folgen des harten Schlags, vielleicht auch des vergifteten Weins. Die beiden Männer dagegen sprachen leise, und ich verstand nur Teile der Unterredung.
    »… endlich vorankommen«, sagte eine tiefe, volltönende Stimme.
    »Wer immer dieser Schnüffler ist, sein Auftauchen bei der alten Falourdel beweist, daß man uns auf der Spur ist.«
    Eine hellere Stimme, es war die mir irgendwie vertraut erscheinende, erwiderte: »Macht Euch nicht ins Hemd, Maître Gaspard. Ein schnüf-felnder Drecksköter macht noch längst keine Jagdmeute. Vielleicht ist’s nur ein Wichtigtuer. Nehmt den Kerl ordentlich in die Mangel, das versteht Ihr doch. Dann wird er schon ausspucken …«
    Das Brummen in meinem Kopf übertönte den Rest des Satzes und wurde lauter, je angestrengter ich nachdachte. Die Stimme kam mir ebenso bekannt vor wie der eben gefallene Name, Maître Gaspard, doch wollte mir nicht einfallen, woher.
    »Eigentlich wollte ich heute nacht arbeiten«, murrte die dunkle Stimme. »Ist mir gar nicht recht, mich mit dem Schnüffler beschäftigen zu müssen.«
    »Falls er doch mehr ist als ein Wichtigtuer, sollte Dom Claude es vor der Walpurgisnacht wissen.«
    »Zu Walpurgis soll es also geschehen?«
    »Dom Claude meint, es sei besser so, und auch der Großmeister will es. Die Spinne von Plessis wird zu neugierig. Sie scheint zu ahnen, daß nicht alle in ihrer engsten Umgebung ihr Vertrauen verdienen. Der große Umzug ist die beste Gelegenheit, ihr den Kopf abzuschlagen.
    Die Masken werden nicht nur die Bauern verbergen, sondern auch die Vollstrecker.«
    Als die helle Stimme in ein meckerndes Gelächter verfiel, wußte ich, wem sie gehörte. Schon die Erwähnung von Dom Claude hätte mich darauf bringen müssen. Wenn der Mann mit dem Ziegenlachen mich sah, war alles verloren!
    »Ich werde Dom Claude von dem Schnüffler berichten und Euch ge-gebenenfalls seine Anweisungen übermitteln, Maître«, sagte mein alter Bekannter und verabschiedete sich zu meiner großen Erleichterung von dem Mann namens Gaspard.
    Nun hörte ich das Klappern von Holz und Metall sowie leise Stimmen, zumeist

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