Im Schatten von Notre Dame
Gaspard von der Presse fort und griff an seinen Hals. Etwas Längliches, im Licht Aufblitzendes steckte darin.
Ein Dolch! Röchelnd fiel er auf die Knie, kippte auf die Seite und blieb nach einigen wilden Zuckungen leblos liegen.
Seine Helfer sprangen davon wie aufgescheuchte Straßenjungen.
Doch die abgeriegelte Druckerwerkstatt wurde von der Festung zur Falle. Überall tauchten die violetten Waffenröcke der Scharwache auf.
Und mittendrin erblickte ich das faltige Gesicht von Leutnant Piero Falcone.
Er trat zur Presse und drückte den Hebel zurück. Die Spindel drehte sich und hob den Tiegel an. Ich war frei!
Vorsichtig zog ich den Arm unter dem Tiegel weg. Er war noch heil, ließ sich bewegen wie zuvor. Mit Falcones Hilfe richtete ich mich auf, doch ich fühlte mich so geschwächt, daß ich auf der Holzplatte sitzen blieb. Ich zitterte am ganzen Leib, und der Angstschweiß rann in warmen Sturzbächen an mir herab.
Die Scharwächter hatten die fünf Männer überwältigt und ihre Hän-de in eiserne Fesseln gelegt. Falcone befahl, sie zum Châtelet zu schaffen, und beugte sich über Gaspard Glaire.
»Dem ist nicht mehr zu helfen«, stellte er fest, zog seinen Dolch aus der Wunde und wischte ihn an der Lederschürze des Toten ab. »Schade auch.«
»Was ist daran schade?« ächzte ich. »Wärt Ihr nicht gewesen, Leutnant, er hätte meinen Arm zerquetscht wie eine Küchenschabe.«
»Und hätte ich Euch nicht vor diesem Schicksal bewahren müssen, hätte ich jetzt einen lebenden Zeugen und nicht nur einen toten Falschmünzer.«
»Ihr habt seine Leute.«
»Gaspard Glaire war bestimmt nicht der Hintermann der Kipper und Wipper, aber er hätte mich vielleicht zu ihm führen können. Seine Leute dürften nicht viel wissen. Für sie war Maître Gaspard der Brotherr und Gott. Hättet Ihr mich nur ins Vertrauen gezogen, Monsieur Armand!«
»Aber ich wußte nichts davon, das schwöre ich Euch, Herr Leutnant.
Heute Mittag habe ich aus Eurem Mund zum ersten Mal vom Druk-kermeister Gaspard Glaire gehört.«
»Vielleicht stimmt das sogar, immerhin hat man Euch hierher verschleppt.«
»Das wisst Ihr?«
»Was meint Ihr, weshalb ich hier aufgetaucht bin? Ich ahnte nicht, daß Maître Gaspard für die gefälschten Münzen verantwortlich ist, wenn mich auch die Verwicklung Nicolas Manchots in die Sache hätte stutzig machen müssen. Ich ließ das Haus der Kupplerin überwachen, und meine Leute folgten Euren Entführern hierher.«
»Die Falourdel muß Maître Gaspard auf mich gehetzt haben«, sagte ich und erinnerte mich, wie sie das Sankt-Martha-Zimmer verlassen hatte, um den Wein zu holen. Wahrscheinlich hatte sie den struppigen Knaben zu Gaspard Glaire gesandt.
»Das werden wir gleich herausfinden, Armand.«
Bevor wir die Falschmünzerei verließen, warf ich einen letzten Blick auf die Druckerpresse. Gutenberg hatte mich verschont. Ich schwor mir, nie wieder etwas gegen den deutschen Erfinder zu sagen.
Maître Gaspards Werkstatt lag am rechten Seine-Ufer, nahe dem Fluss und auch nicht weit entfernt vom Wunderhof. Ein Fährboot brachte Falcone, mich und die beiden Sergeanten, die mich schon zweimal von Notre-Dame abgeholt hatten, durch dicke Nebelschwaden zur Saint-Michel-Brücke.
Falourdel spielte eine schlechte Komödie und pries den Herrn im Himmel, daß ich noch am Leben sei. Sie wollte meine Entführer nicht kennen und noch weniger nach ihnen geschickt haben.
»Fragt den Jungen, diesen Faisan!« sagte ich zu Falcone. »Die Alte hat ihn bestimmt als Boten benutzt.«
Aber Faisan war nirgends zu finden, und Falourdel erklärte: »Mal hilft er mir für ein paar Sols aus, dann wieder sehe ich ihn tagelang nicht. Aber selbst wenn Ihr ihn findet, Herr Leutnant, wird er Euch kaum helfen können. Sein Verstand ist dunkel wie die Nacht.«
Falcone verabschiedete sich von der Kupplerin, und ich fragte ihn vor der Tür, weshalb er sie nicht zum Châtelet mitgenommen habe.
»Unter der Folter hätte sie vielleicht gestanden.«
»Ihr ist nichts zu beweisen. Ich habe keinen Grund, sie Maître Torterue zu übergeben. Eher könnte ich Euch in den Folterkeller schicken, Armand Sauveur!«
»Schon wieder?« Meine Stimme wurde brüchig. »Warum?«
»Weil Ihr mir etwas verheimlicht. Was wolltet Ihr von der Falourdel?«
Ich lächelte schwach und vermutlich verunglückt. »Auch ich bin ein Mann …«
»Unsinn!«
»Aber Herr Leutnant!«
»Ihr wart allein im Kupplerhaus, ohne ein Weib.«
»Oh, ich wartete auf ein süßes
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