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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Bettes faßte ich neuen Mut und den festen Entschluß, das Rätsel von Notre-Dame zu lösen.
    Tatsächlich schlief ich den Rest der Nacht tief und traumlos. Das wäre sicher anders gewesen, hätte ich gewußt, als wie folgenreich und verhängnisvoll sich mein Entschluß erweisen würde. Und wie viele Menschenleben er kosten sollte.

Kapitel 2
    Beinahe ein Mensch
    Ich erwachte erst, als die Sonne bereits über die Dächer von Notre-Dame kletterte und mein Frühmahl, frisches Roggenbrot und Ha-ferbrei, auf der kleinen Bank vor meiner Zelle stand. Es war Brauch geworden, daß Odon meine Mahlzeiten hier abstellte, um mich nicht bei der Arbeit zu stören. Vielleicht auch, wie ich immer fester glaubte, um sich nicht auf eine Unterhaltung mit mir einlassen zu müssen. Heute hätte ich das Gespräch mit ihm gewiß gesucht, brannten mir nach der vergangenen Nacht doch viele Fragen auf der Seele.
    Fürs erste war der Hunger stärker als die Neugier. Während ich die hölzerne Breischale auslöffelte und mit dem letzten Rest Brot auswisch-te, nahm ich mir vor, Odon zur Mittagszeit abzupassen. Ich trank zwei Becher von dem süßen Kirschwein, den Dom Frollo mir hatte zukommen lassen. Das Getränk stärkte meinen Mut und meinen Entschluß, je mehr es mein Blut in Wallung brachte. So dachte ich damals und vergaß wie jeder Berauschte, daß Mut und Stärke nur ein flüchtiges Trugbild sind, wenn sie dem Wein entströmen.
    Zum Arbeiten kam ich an diesem Morgen nicht. Das seltsame Erlebnis der Nacht beschäftigte mich derart, daß in meinen Überlegungen kein Platz war für Kometen, mochten sie nun aus irdischen Dämpfen oder der Fünften Essenz bestehen. Zudem war mein Kopf vom Wein so schwer, daß er die gewichtigen Gedanken der großen Gelehrten kaum aufnehmen konnte. Als die Mittagszeit heranrückte, legte ich mich auf die Lauer. Ich kauerte mich neben der Tür auf den Boden, um Odon auch ganz bestimmt zu hören. Dabei machte ich es mir so bequem wie möglich, schloß die Augen und lauschte dem Wind, der in einem ständig an- und abschwellenden Singsang durch Fugen und Winkel des Nordturms pfiff.
    Als ich erwachte, war es später Nachmittag und der Bohneneintopf auf der kleinen Bank längst erkaltet. Ich verfluchte den Kirschwein und hätte den Krug in meinem Zorn beinahe zerschlagen. Fast war ich geneigt, auch in dieser Gabe eine teuflische List Claude Frollos zu sehen, aber dafür schmeckte der Wein einfach zu gut. Gleichwohl trank ich nur Wasser zu meinem kalten Mittagsmahl und beschloß, das, was mir gegen Mittag so schändlich misslungen war, am Abend ganz ge-wiß zu verwirklichen.
    Die Schatten waren lang wie die Fastengebote der Kirche und die Sonne nur noch ein blasser Widerschein in den Fluten der Seine, als Odon mit dem Abendessen kam. Als ich seine Schritte hörte, saß ich bereits wieder hinter der Tür, und diesmal blieb ich wach!
    Ich schob meinen Kopf weit genug hoch, um durch eins der Fenster zu linsen. Viel konnte ich im Dämmerlicht von dem Mesner nicht erkennen. Ich sah nur seine in eine grobe Kutte gehüllte Gestalt, die sich vor der Bank niederbeugte.
    Schnell, zu schnell, sprang ich auf, riß die Tür auf und lief nach drau-
    ßen. Das heißt, ich wollte hinauslaufen. Aber ich stolperte in der Eile über die Türschwelle, fiel gegen den Mesner und riß ihn zu Boden. Mit einem dumpfen Platschen zersprang die irdene Schale, die er in Händen gehalten hatte. Heiß brannte sich etwas in meine Haut, und es roch stark nach Fisch, Zwiebeln und Sauerampfer.
    »Verflucht, verwünscht, verdammt!« schrie der Mesner unter mir und stieß mich von sich. Ich schlug mit dem Hinterkopf an die Holzbank, und ein heftiger Schmerz durchzuckte mich.
    Während ich noch meinen misshandelten Schädel abtastete, stöhnte ich: »Verzeiht mir, Odon, ich wollte Euch nicht überfallen. Ich bin einfach gestolpert.«

    »Odon mag Euch leicht verzeihen, Maître Sauveur, ihn habt Ihr ja nicht mit Fischsuppe verbrüht. Der gute Salm!«
    Der Mann, der sich vor mir erhob und auf seine mit Suppe befleckte Kutte starrte, war von schmaler Gestalt; das Gesicht unter dem schütteren Blondhaar war flach wie ein Brett, so als hätten sich Stirn, Nase und Kinn bereits kurz nach der Geburt geeinigt, sich das kurze Menschenleben nicht mit dem Ausprägen der Formen zu erschwe-ren.
    »Aber … wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Gontier, und ich bin Mesner der Kathedrale Notre-Dame zu Paris. Dom Frollo hat mich beauftragt, Euch mit Speise, Trank und allem,

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