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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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zugleich.

    »Mord, das lautlose Töten in finsterer Nacht. Die Mörder bewegen sich in der Dunkelheit mit der Sicherheit von Maulwürfen, die sich in der Erde vorangraben.«

    Margot erhob sich. »Ihr braucht also gar keinen Villon, Leutnant Falcone, auch so gibt Paris Euch Lohn und Brot. Verzeiht, wenn ich mich jetzt wieder um meine Geschäfte kümmere. Und spart Euch das Falschgeld, Ihr seid Gäste der Dicken Margot.«
    Kaum war sie gegangen, winkte Falcone die rothaarige Magd herbei.»Noch Wein, Monsieur?«
    »Nein, Fleisch!« Er zog sie auf seinen Schoß und legte die Hände auf ihre Brüste. »Margot hat uns eingeladen. Hast du eine Schwester für meinen jungen Freund und ein hübsches Zimmer für die Nacht?«
    Ich stand auf und entschuldigte mich mit großer Müdigkeit und einer Menge Arbeit, die meiner harrte. Nicht, daß ich keine Lust auf eine Frau gehabt hätte. Die kleine Tänzerin, die so unversehens in meine Arme gestolpert war, hätte mein Feuer leicht entfachen können. Aber es gefiel mir nicht, mich immer tiefer in Falcones Netz zu verheddern.
    Außerdem trug ich etwas unter meinem Wams, das er nicht sehen sollte.»Wir werden uns bestimmt bald wiedersehen, Monsieur Sauveur«, versprach der Leutnant und wandte sich wieder der kichernden Ge-spielin zu.
    Ich eilte zurück zu Notre-Dame und achtete nicht auf die zweifeln-den, verdachtsvollen Blicke, die der Pförtner an der Rue du Cloître mir zuwarf. Als ich die Kathedrale betrat, sah ich nur kurz zu der Empore, wo Odon sein Leben ausgehaucht hatte. Die Vorstellung, auf undurchsichtige Weise an seinem Tod mitschuldig zu sein, stieß mich ab, und rasch wandte ich mich dem Treppenaufgang zu.
    Erst in meiner Zelle auf dem Nordturm fühlte ich mich vor Falcone sicher und griff unter das Wams, um den falschen Bart hervorzuzie-hen. Er war verschwunden.

Kapitel 6
    Der steinerne Tod
    Dicht vor mir stand das Mädchen und sprach zu mir, doch ich verstand es nicht. Eine unermüdliche Abfolge dumpfer Trommelschläge verschluckte die Worte, ein jeder Schlag so mächtig, daß er das Haus erschütterte. Oder hatte ich diesen Eindruck nur, weil viele der Menschen sich zusammenduckten, sobald die Trommel dröhnte?
    Männer und Frauen hockten in dem großen Saal, dessen steinerne Mauern ihnen Zuflucht und Schutz boten. Wie lange noch?
    Das Mädchen wandte sich ab und ging hinaus. Ich lief ihm nach. In dem Augenblick kannte ich den Grund nicht. Es war eine unbestimmte Ahnung von Gefahr. Die Trommelschläge verhießen Unheil, und die Angst der Menschen schien das zu bestätigen.
    In einem langen Gang stellte ich das Mädchen. Hier dröhnte die schreckliche Trommel nicht so übermächtig. Schreiend konnten wir uns verständigen. Ich fragte das Mädchen, wohin es wolle.
    »Ich muß hinaus, meine Suche fortsetzen.«
    Ich warnte vor der Gefahr, die außerhalb der schützenden Mauern bei jedem Trommelschlag vom Himmel fiel.
    »Gefahr ist der Preis der Erkenntnis.«
    Das Mädchen wollte weitereilen, aber ich hielt es an den Schultern fest, mochte es nicht gehen lassen. Da wurde ich selbst an den Schultern gepackt und fortgerissen, mit solcher Kraft, daß ich zu Boden stürzte. Über mir stand ein knöcherner Mann mit markantem Pferdegesicht. Ich erkannte ihn: Odon!
    Er war fort und mit ihm das Mädchen. Vor mir lag verlassen der Gang, scheinbar unendlich lang. Ich lief ihn entlang, stieß auf eine gewundene Treppe und flog sie mehr hinab, als daß ich lief. Ja, mir war, als flöge ich, als schwebte ich.
    Endlich stand ich im Freien. Kräftiger Wind blies mir ins Gesicht, wollte mir den Atem rauben, biss mir in die Augen.
    Und mit dem Wind kam der steinerne Regen. Steinbrocken, grö-
    ßer als ein Kopf, flogen umher wie von der Hand eines wütenden Riesen geschleudert. Ihre wuchtigen Einschläge brachten die Burgmauern rings um mich zum Bröckeln. Stein um Stein der stolzen Bergfestung wurde aus seinem Halt gerissen.
    Da erblickte ich das Mädchen. Es stand vor einem großen Portal und schaute aufmerksam zu den zahlreichen Skulpturen hinauf, schien den steinernen Regen vergessen zu haben. Ich aber sah, daß die Felsbrok-ken dem Portal immer näher kamen.
    Im hohen Bogen flog ein Felsen durch die Luft. Ich sah ihn kommen und wußte, er würde das Portal zerschmettern – und mit ihm das Mädchen. Ich schrie auf und nahm eine Gestalt wahr, die sich schützend vor das Mädchen warf, als könne es einen Schutz vor dem steinernen Tod geben.
    Noch bevor der Felsbrocken aufschlug,

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