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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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feines Spiel.
    Schenk ewig Ruhe ihm, o Herr,
    und auch dein ewig leuchtend Licht,
    das ist von nun sein Leibgericht,
    kein Lauchhalm schmeckt ihm da so sehr.«
    Ein Mädchen, das ich vorher nicht bemerkt hatte, tanzte zum Gesang des Spielmanns um unseren Tisch. Für einen Augenblick glaubte ich, die Maid zu kennen, die betörende Esmeralda vor mir zu sehen. Doch die Tänzerin, die ihren bunten Rock und die schlanken Beine hochflie-gen ließ, ähnelte der Ägypterin nur in Alter und Statur. Ihre Haut und ihr Haar dagegen waren heller, das hübsche Gesicht ein wenig runder, die Augen von einem hellen Braun. Und doch wollte das Gefühl der Vertrautheit nicht weichen. Ich kannte das Mädchen nicht und hatte zugleich das Gefühl, ihm schon begegnet zu sein.
    Die Tänzerin, mitgerissen vom eigenen Schwung, stolperte plötzlich und fiel mir in die Arme. Nur zu gern fing ich sie auf, atmete ich den süßen Duft ihres erhitzten Leibes. Der Blick ihrer Augen konnte einen Mann entflammen, doch meinte ich, dahinter tiefe Trauer zu sehen.
    Für einen Atemzug nur, dann hatte sie sich mit einer gehauchten Entschuldigung und einem verlegenen Lächeln schon wieder von mir ge-löst und verschwand im Gedränge, gefolgt von dem Spielmann.
    »Keine Tatsachen, aber ein nettes Lied«, seufzte Falcone und ließ einen Silbergroschen über die Tischplatte rollen. »Nehmt diesen Turnoser für den Spielmann und die Tänzerin, Margot.«
    Die Wirtin grapschte nach der Münze und betrachtete sie skeptisch.
    »Was sind das für Zeiten, wenn schon die Polizei mit Falschgeld bezahlt?« meckerte sie und warf den Turnoser verächtlich zurück auf den Tisch.
    »Falschgeld?« fragte ich überrascht.
    »Und ob!« knurrte Margot. »Ich merk’s schon am Gewicht. Außerdem ist der Groschen am Rand abgekratzt, unter dem Silber schimmert billiges Kupfer durch.«
    Ich nahm die Münze an mich und sah das Kupfer unter dem Kratzer, wenn ich auch keinen Gewichtsunterschied feststellen konnte.
    »Eine kleine Probe.« Falcone verzog die Lippen zu einem entschuldi-genden Lächeln. »Wollte sehen, ob Ihr drauf reinfallt, Margot. In Paris sind einige dieser falschen Groschen aufgetaucht, und selbst die meisten Wechsler erkennen den Unterschied nur mit der Münzwaage.
    Ihr wisst nicht zufällig, wer die Kupfergroschen unters Volk bringt?«
    »Warum gerade ich?«
    »Man sagt, die Dicke Margot weiß über alles Bescheid, was auf der Seine-Insel vor sich geht. Und die meisten falschen Groschen sind auf der Insel aufgetaucht.«

    Margot zuckte die rundlichen Schultern. »Die Zeiten, als Kipper und Wipper mir von ihren Geschäften erzählten, sind vorbei. Ich weiß nichts über gefälschte Münzen und auch nichts über gezinkte Karten.«
    Falcone hielt die Stabzehn hoch. »Wieso gezinkt?«
    »Wenn Ihr das Muster auf der Rückseite genau betrachtet, werdet Ihr sehen, daß die Striche in den Ecken etwas dicker sind. Die Karte ge-hört nicht nur einem Mörder, sondern auch einem Falschspieler. Und erzählt mir nicht, Euch sei das neu, mein schlauer Polizist!«
    »Ist es nicht.« Falcone steckte Spielkarte und Groschen wieder ein.
    »Aber bei Euch hoffte ich einen Hinweis zu erhalten, wer hinter den Fälschungen steckt.«
    »Vermutet Ihr einen Zusammenhang?«
    »Ich halte es für möglich. Wer das eine fälscht, findet vielleicht auch am anderen Gefallen. So wie die Coquille, die in weit verzweigten Geschäften tätig war.«
    »Immer wieder Eure Muschelbrüder! Als hätte Paris keine anderen Galgenstricke aufzubieten.«
    »Doch, jede Menge. Wir am Châtelet werden uns nie in die Schlangen der Arbeitsuchenden auf dem Grève-Platz einreihen müssen. Clopin Trouillefou und seine Bettlerschar machen uns ganz hübsch zu schaffen; eine ganze Armee ist das, wie damals die Coquille. Und auch der Herzog von Ägypten kann in jüngster Zeit beträchtlichen Zuwachs verzeichnen. Dann sind da noch die Kaimane und die Maulwürfe.«
    Die beiden letzten Begriffe waren mir unbekannt, und ich bat Falcone um Aufklärung.
    »Die Kaimane schnappen Kinder von der Straße oder auch aus den Häusern ihrer Eltern weg und richten sie zum Betteln ab. Mit abge-hackten Beinen, ausgestochenen Augen oder verbrühten Gesichtern werden die Kleinen zu Krüppeln und Sklaven gemacht.«
    »Entsetzlich!« rief ich. »Schlimmeres kann es kaum geben.«
    »Doch«, widersprach Falcone, »die Maulwürfe. Eine Bande, über die wir so gut wie nichts wissen.«
    »Was ist ihr Geschäft?« fragte ich, angewidert und fasziniert

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