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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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die weder Mensch noch Tier war, und traute seinen Augen nicht.
    »Hallo, mein Freund«, sagte der Pixie, als hätte er auf Samuel gewartet.
    Freund .
    Samuel war verwirrt. Warum bezeichnete ihn dieses fremde Wesen als Freund? Und warum verstand er dessen Sprache? Er erinnerte sich daran, was er in Die Geschöpfe des Schattenwalds gelesen hatte.
    Die meisten Kreaturen des Waldes sprechen Hekron, eine Universalsprache, die von jedermann - sogar von Menschen - verstanden wird.
    Er hielt das Buch eng an seiner Brust. In einer Welt, der er nicht mehr vertrauen konnte, wurde das Buch von Professor Tanglewood allmählich zu einem Rettungsanker. Es gab ihm Sicherheit.
    »Alles in Ordnung, mein Freund?«
    Schon wieder. Freund .

    Samuel war misstrauisch.
    Doch das unschuldige, kleine Wesen hatte die sanftesten Augen und das freundlichste Lächeln, das Samuel je gesehen hatte. Alles an ihm schien gutmütig und einladend, sogar die merkwürdige, nach oben gebogene Nase und die spitzen Ohren. Im selben Maße, in dem Samuels Angst sich verflüchtigte, kehrte der Hunger zurück.
    »Hallo«, entgegnete Samuel, während der betörende Duft ihn einhüllte wie eine unsichtbare Wolke.
    »Du siehst müde aus, mein Freund. Und hungrig. Warum kommst du nicht herein und isst einen Teller Suppe?« Das Wesen trat auf das Gras vor dem Blockhaus, doch Samuel bemerkte nicht, dass es keinen Schatten besaß.
    »Ich suche nach meiner Schwester«, sagte Samuel. »Sie ist in den Wald gegangen und jetzt kann ich sie nicht mehr finden. Sie ist zehn Jahre alt und trägt ein dunkelblaues Kleid. Hast du sie vielleicht gesehen?«
    »Nein, mein Freund. Ich habe deine Schwester nicht gesehen.«
    »Ich muss sie finden. Weißt du, wo …«
    Bevor Samuel seine Frage beenden konnte, wurde er von dem kleinen Wesen unterbrochen: »Mit leerem Bauch sucht es sich schlecht, meinst du nicht? Komm doch herein.«
    Samuel blieb ihm eine Antwort schuldig, doch sein Magen gab in diesem Moment ein enormes Knurren von sich.
    Der Pixie klatschte in die Hände. »Genau!«
    Eine Minute später fanden sich Samuel und Ibsen im Inneren des Blockhauses wieder und beobachteten das Wesen, das in einem Suppentopf rührte, der auf dem Herd stand. Sie kamen sich vor wie in einem Puppenhaus. Als Samuel sich umschaute, bemerkte er die merkwürdige Einrichtung. Die weiß gestrichenen Holzwände waren mit dunkelroten und grauen Flecken übersät.

    »Ich muss meine Schwester unbedingt finden. Bist du sicher, dass du sie nicht gesehen hast?«
    »Ganz sicher, mein Freund.«
    Während der Pixie ihm den Rücken zukehrte, schlug Samuel unter dem Tisch das Buch auf.
    Warum waren nur keine Bilder darin zu sehen? Es wäre sehr viel einfacher gewesen, wenn Professor Tanglewood die Geschöpfe fotografiert oder zumindest gezeichnet hätte.
    Stattdessen stand am Kopf jeder Seite nur der Name der jeweiligen Kreatur in Großbuchstaben. Die Beschreibung folgte darunter. Das bedeutete, dass Samuel länger brauchen würde, um herauszufinden, welches der vielen Geschöpfe des Waldes gerade sein Gastgeber war.
    Ein Huldre? Nein.
    Ein Troll? Nein.
    Ein Tomtegubb? Nein.
    Ein Slemp? Nein.
    Ein Fliegender Schädelpicker? Nein.
    Er blätterte um, hatte jedoch keine Zeit, die nächste Seite zu betrachten, weil in diesem Moment das kleine Wesen eine Schüssel mit leuchtend gelber Suppe auf den Tisch stellte. In den Händen des Pixies sah die Schüssel riesig aus, doch für einen Menschen war sie normal groß.
    Mit dem Dampf stieg Samuel ein köstlicher Duft in die Nase. Er zitterte vor Hunger. Selbst wenn es Rentiersuppe gewesen wäre, hätte er sie in fünf Sekunden verschlungen.
    »Mmmm«, hörte er sich sagen. »Sie duftet fantastisch.«
    Das kleine Wesen rieb sich aufgeregt die Hände, als bereitete ihm das Zusehen ebenso viel Freude wie seinem Gast das Essen.
    »Es ist mein Geheimrezept!«
    »Oh«, sagte Samuel.
    Ibsen bellte, was Samuel folgendermaßen übersetzte: »Ich
möchte auch etwas von der Suppe, sofern es dir nichts ausmacht.«
    »Ist schon okay«, entgegnete er, »ich lass dir was übrig.«
    Samuel griff zum Löffel und wollte es sich schmecken lassen, als Ibsen an ihm hochsprang, worauf die Suppe, die sich eben noch auf dem Löffel befunden hatte, auf die aufgeschlagene Buchseite kleckerte.
    Samuel blickte nach unten und las das Wort »WAHRHEITS-PIX«: Eigentlich stand dort »WAHRHEITS-PIXIE«; doch genau auf dem IE war die Suppe gelandet.
    Samuel las weiter:

    Das Wesen lebt in einem kleinen

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