Im Schattenwald
dunkel.
Doch als sie eine weite Ebene erreichten, die wie ein großes weißes Blatt Papier vor ihnen lag, konnten sie einen schwachen roten Streifen am Horizont ausmachen. So wie der Schnee von der Erde aufgesogen wurde, wurde die Nacht allmählich vom Tag aufgesogen.
Sie konnte nicht wissen, warum dies von Bedeutung war, doch sie registrierte genau, dass die beiden Huldren Boden gutmachten. Ebenso bemerkte sie eine verzweifelte Dringlichkeit in ihren Stimmen, die sie zuvor nicht wahrgenommen hatte.
»Felooka felooka!«, rief Grentul, wendete sein Pferd und dirigierte es ins Dunkel zwischen die Bäume.
»Bastipool!«, schrie Vjpp, der sich nicht beirren ließ und nur die ausgesuchten Grausamkeiten im Kopf zu haben schien, die er an dem Mädchen begehen wollte.
Der rote Morgenhimmel hatte inzwischen eine orange Färbung angenommen und ließ die Sterne verblassen.
»Gleich wird es geschehen«, sang der Tomtegubb mit seiner melodiösen Stimme.
Vjpp galoppierte jetzt genau an Marthas Seite. Er schwang sein Schwert, und Martha musste sich ducken, um nicht in zwei Hälften geteilt zu werden.
Der Tomtegubb blickte zum leuchtenden Himmel empor. »Gleich wird es geschehen … jetzt!«
Als der Tomtegubb das Wort »jetzt« sang, geschah etwas Merkwürdiges mit Vjpp.
Er verdunstete.
Das erste Licht des Tages hatte sein Fleisch aufgelöst und nur sein Skelett übrig gelassen, das klappernd vom Pferd fiel. Martha warf einen Blick zurück auf den Schädel des Huldren mit seinen weit auseinanderstehenden Augenhöhlen, die sie aus dem Schnee anstarrten.
»Ho!«, sagte der Tomtegubb zu seinem Pferd, das mehr als glücklich war, endlich das Tempo drosseln zu können. Auch Marthas Pferd fiel augenblicklich in Schritt.
»Puh, das war knapp, oder?«
Martha nickte.
»Wo willst du jetzt hin?«
Martha schwieg, doch der Tomtegubb kannte die Antwort. »Du willst nach Hause«, sagte er. »In die andere Welt außerhalb des Waldes.«
Martha nickte. Wenn Samuel noch am Leben war, dann war er sicher zurückgekehrt.
»Ich komme mit dir«, sagte der Tomtegubb, indem er sein Pferd wendete. »Ich begleite dich, so weit ich kann, und dann beschreibe ich dir den Rest des Weges.«
Martha fühlte sich sehr erleichtert und wollte sich bei dem Wesen bedanken.
»Vielleicht schreibe ich ein Lied über unser Abenteuer«, sagte der Tomtegubb und strich sich versonnen durch seine goldenen Schnurrhaare. »Das wird ein langes Lied werden, noch länger als der Lilahosensong . Tja, wie soll es nur heißen? Glückliche Flucht ? Oder Galopp zum Ruhm ? Oder wie wäre es mit: Der siegreiche Tomtegubb und der heldenhafte Mensch ? Ach, nein, das ist zu lang. Vielleicht sollte ich es einfach Der siegreiche Tomtegubb nennen, der heldenhafte Mensch kann ja in den Strophen noch vorkommen, oder noch besser: im Refrain.
Aber was reimt sich nur auf ›Mensch‹? Nun, bevor wir uns dem Text widmen, sollten wir an der Melodie arbeiten …«
Martha spürte, dass etwas mit ihrem Gesicht geschah. Ihre Wangen wurden gehoben und ihr Mund weitete sich. Sie lächelte und es war ein gutes Gefühl.
Der Tomtegubb sah das Lächeln, enthielt sich aber eines Kommentars. Stattdessen begann er, verschiedene Melodien zu summen, während die Pferde ihn und Martha sicher zwischen den Bäumen hindurchtrugen.
Samuel und Ibsen hatten soeben begonnen, der Abkürzung des Trollvaters zu folgen, als es zu schneien begann. Große weiße Schneeflocken tanzten wie Federn um sie herum. Schon im nächsten Moment befanden sie sich inmitten eines tosenden Schneesturms. Ibsen öffnete sein Maul, um die Flocken mit der Zunge aufzufangen, während Samuel Schutz unter einem Baum suchte.
Der Schneefall war so dicht, dass es vorerst keinen Sinn hatte weiterzugehen. Samuel ließ sich an einer Stelle nieder, an der weder Schnee noch Kiefernnadeln lagen, und fand dies weitaus gemütlicher als zuvor. Ibsen rollte sich neben ihm zusammen und im nächsten Moment waren sie auch schon eingeschlafen.
Sie schliefen noch immer, als es aufhörte zu schneien und ein doppelköpfiger Troll auf dem Weg an ihnen vorbeiging. Einer der Köpfe war vom Rumpf abgetrennt und wurde von dem anderen unter dem Arm getragen, lebte aber immer noch - und schien äußerst verärgert. Die beiden Köpfe waren so in ihrem Streit befangen, dass sie den Hund und den Jungen unter dem Baum gar nicht bemerkten.
»Ich hab dir doch gesagt, dass eine Flucht keinen Sinn
hat!«, sagte der rechte Troll, während das Blut von seinem
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