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Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Titel: Im Schlauchboot durch die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einsehen. Mit einem Stemmeisen würde Matilde den Deckel
hochstemmen. Das hatte sie schon geprobt.
    Hoffentlich, dachte sie, glaubt
Erwin das alles. Wenn sie an ihn dachte, war er Erwin — fast ein Fremder. Der
Vorname schaffte mehr Distanz als wenn sie an ihren Vater, Papi oder Daddy
gedacht hätte. Für das, was sie tat, hätte er kein Verständnis aufgebracht. Im
Gegenteil — er würde sie halb totprügeln.
    Heute wollte er bis ein Uhr
nachts durcharbeiten, also Betrunkene und Nachtschwärmer chauffieren. Noch vor
Mitternacht würde Matilde alles erledigen. Um dann zum ersten Mal seit Langem
ohne Albtraum zu schlafen.
    Durch die Hintertür ging sie
ins Museum zurück.
    Susi befand sich jetzt im
Obergeschoss, in Matildes Zimmer. Für die Nacht war das der bessere Platz.
    Vorn am Eingang war ein
Geräusch. Kein Läuten. Ein Schlüsselgeräusch.
Um Himmels willen! Nur Erwin und Opa Otto hatten Schlüssel. Sie humpelte nach
vorn.
    Erwin Kräsch kam herein. Er war
Mitte vierzig, ein gedrungener Typ mit fleischigem, etwas schiefem Gesicht. Er
trug lederne Schildmütze und gestreiften Pullover, unter dem sich sein
Sitzbauch wölbte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er
im Vorbeigehen, ohne seine Tochter anzublicken. »Wie viele Besucher?«

    »Nu... nur sechs. Leider!«
    Ihre Stimme zitterte. Wenn er
das Fenster sah, was dann? Kam ein kühler Luftzug von dort?
    Noch merkte er nichts. Er ging
nach links zur Treppe, die zur eigentlichen Wohnung hinaufführte.
    »Und das Baby?«
    »Sie... sie hat immer noch
einen wunden Po«, stammelte Matilde.
    Erwin Kräsch war schon auf der
untersten Stufe. Jetzt blieb er stehen und drehte sich um.

9. Ein Geschenk des Himmels
    »Dort!«, sagte Tim. »Unter dem
Rundlaufpilz. Ein Geschenk des Himmels liegt da im Sägemehl, nämlich die
Brieftasche des Alt-Ganoven, der auf den Hintern fiel. Beim Absturz vom Pilz
muss sie ihm aus dem Mantel gerutscht sein. Hat keiner bemerkt. Auch mir ist es
jetzt erst aufgefallen.«
    Karl und Klößchen pfiffen
begeistert. Gaby lief bereits los, wurde aber von Tim überholt. Dann standen
alle unter dem Rundlaufpilz. Tim, enorm hoch gewachsen für sein Alter, musste
den Kopf etwas einziehen. Alle starrten auf die Brieftasche.
    Sie war alt. Abgegriffenes
Leder, speckig an den Rändern. Sie war dick und zusammengeklappt. Tim hob sie
auf.
    »Hoffentlich enthält sie ein
Tagebuch mit Notizen über das Kidnapping«, meinte Klößchen.
    »Wer seine fünf Sinne beisammen
hat, wird sich hüten«, erwiderte Karl.
    Tim hatte inzwischen begonnen,
den Inhalt zu untersuchen.
    »Ausweis und Führerschein auf
den Namen Otto Kräsch. Der Mann ist 76. Heh! Den Namen Kräsch hatten wir heute
schon. Oder irre ich mich?«
    »Dein Sportreporter«, sagte
Gaby, »hat von dem Taxiunternehmer erzählt, bei dem Fausto Weichler früher als
Taxifahrer gearbeitet hat. Außerdem betreibt dieser Kräsch das Panoptikum in
der Dombläser-Gasse.«
    »Dann ist Otto mit Erwin
verwandt«, nickte Tim, »vermutlich der Vater. Denn seht euch das an.«
    Er zog einen Folder, einen
doppelten Werbezettel aus der Brieftasche. Das Glanzpapier war bunt bedruckt,
pries ERWINS PANOPTIKUM an als einzigartige Kuriositätenschau und zeigte
gruselige Wachsfiguren. Außerdem die Mumie des Aborigine, die aber als Bild
nicht viel hermachte. Im Gegenteil: Der ausgestopfte Australier erregte
Mitleid.
    »Sonst noch was?«, fragte Karl.
    »Geld. Etwa 300 Flöhe. Alles in
kleinen Scheinen. Das ist es. Nein! Halt! Hier haben wir noch ein Foto.«
    Alle betrachteten die junge
Frau, die mit scheuem Lächeln in die Kamera blickte.
    »Auf der Rückseite steht was«,
sagte Gaby: »Für... den liebsten Opi von seiner Matilde.«
    »Auch ein Kidnapper kann ein
lieber Opa sein«, wusste Klößchen. »Ich habe mal von einem Massenmörder
gelesen, der sich für seinen Kanarienvogel zerrissen hätte. Für den Gefiederten
war der Kerl super — für die Opfer weniger.«
    »Bleiben wir mal bei den
Tatsachen«, sagte Tim. »Diese Brieftasche ist für uns ein willkommener Einstieg
— zu einem Kontakt mit den Alt-Ganoven, einem Kontakt wie auch immer. Das
müssen wir uns noch überlegen. Im Moment stellen sich Fragen. Erstens: Ist das
Baby .Susanne hier? Versteckt im Gasthaus? Oder versteckt im grünen Umland?
Nach meinem Empfinden können wir das verneinen. Wir haben zwar noch nichts
genau überprüft. Aber es wäre zu dämlich von Flatnose oder den Oldies oder
beiden zusammen — die Kleine hier zu bunkern. Die Polizei wird das

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