Im Schlauchboot durch die Unterwelt
Brühe und wäre untergetaucht. Aber die aufgeblasene Schwimmweste
hielt den Aborigine an der Oberfläche. Er trieb bäuchlings durch die
Finsternis.
Auf den gemauerten Simsen
rechts und links glühten rote Augen. Ratten. Sie bevölkern die Unterwelt, sind
hier zu Flause, finden Abfälle zuhauf.
Als die Mumie vorbeischwamm,
sprang ein besonders großer Nager vom Sims, landete zwischen den
Schulterblättern des Aborigine — und stellte fest, dass es nichts Fressbares
war.
Die Ratte sprang zurück auf den
Sims.
Dicht beim Gully-Einstieg Blaubaum-Straße
hatte sich eine — sträflich entsorgte — große Plastikplane an einem Wandhaken
verfangen. Sie sammelte Unrat, der sich bei ihr staute: Papier, welke Blumen,
Konservendosen, Plastikabfälle... Fast dass sich ein Wehr bildete.
Auch der Aborigine blieb dort
hängen. Mit einem seiner steifen Arme verhakte er sich in einem Loch der Plane.
Stunden später würde sich der
Knoten lösen, der die Schwimmweste zusammenhielt. Sie würde weitertreiben.
Trotzdem blieb die Mumie auch dann wo sie war — und an der Oberfläche.
*
Der nächste Frühlingstag war
grau und nieselig und hätte auch in den November gepasst. In der berühmten
Internatsschule verging der Unterricht im Schneckentempo — besonders in der 9b.
Sicherlich — Tim folgte den
Ausführungen der Pauker konzentriert und passte auf wie ein Luchs. Weil er,
Tim, festgestellt hat, dass damit das halbe Lernprogramm schon eingetütet ist,
also viel Zeit gewonnen wird.
Klößchen hingegen wurde
mehrfach von seinem Nebenmann angestoßen — sonst hätte er geschnarcht. Karl
wusste schon alles und langweilte sich, weshalb er unter der Bank ein kluges
Buch las, ein wissenschaftliches mit Stoff aus der 11. Klasse.
Gaby war auch nicht die
Munterste heute. Der Abend mit Onkel Alexander war fast so lang geworden wie
bei einer TKKG-Aktion. Es gab unendlich viel zu erzählen — besonders, wenn man
sich nur alle paar Jahre mal sieht.
Das TKKG-Programm für den Tag
stand fest.
Karl und Klößchen durften um 11
Uhr den Unterricht verlassen und zur Stadt düsen. In der Kaisergarten-Straße waren
sie verabredet mit Frau Astrid Modderblum — und zwar am Gully vor der Wäscherei
STRAHLEND.
Astrid Modderblum war eine
Abwassermeisterin, also eine Fachfrau für Abwasserentsorgung, Wasserversorgung,
Betrieb und Instandhaltung von Kanal- und Wassernetzen.
Sie gehörte zum ATV-DVWK, der
Vereinigung der Fachleute für Abwasser, Abfall und Wasserwirtschaft. Für die
anstehende Facharbeit hatten Karl und Klößchen Kontakt aufgenommen mit einem
leitenden Manager. Und waren begeistert über das freundliche Entgegenkommen,
mit dem ihr Vorhaben unterstützt wurde. Umfangreiches schriftliches Material
wurde zur Verfügung gestellt. Doch Karl und Klößchen wollten vor Ort erleben,
wie es in der Unterwelt zugeht — in einer wenig attraktiven Unterwelt, die
beherrscht wird von Schmutz und Gestank. Gleichwohl — was dort geschieht, ist
von lebensentscheidender Wichtigkeit. Damit die Menschheit nicht in ihrem
eigenen Dreck erstickt, sondern dieser — Abfall und Dreck — aufgearbeitet wird,
um das Funktionieren der Umwelt zu erhalten.
Das — nämlich hinsichtlich der
Abwässer — wollten Karl und Klößchen nun ganz genau wissen.
Deshalb wollten sie nachher
zusammen mit Astrid Modderblum auf einem Schlauchboot durch die Kanäle der
Unterwelt fahren.
Karl hatte sich mit Infos
vorbereitet. Klößchens Vorbereitung bestand darin, dass er sich die Taschen mit
Schokolade voll stopfte. Ob’s ihm in der Unterwelt schmecken würde, war
abzuwarten.
Tim und Gaby hatten ein anderes
Programm. Sie wollten gleich nach der Schule — Mittagessen fiel also aus — zu
Otto Kräsch. Dessen Adresse hatten sie bereits im Telefonbuch gefunden.
12. Im Schlauchboot unter Ratten
Es regnete in der
Kaisergarten-Straße. Karl und Klößchen standen unter der regendichten Markise
der Wäscherei.
Der Gully, durch den sie in die
Unterwelt steigen würden, war nur wenige Schritte entfernt. Er war bereits
geöffnet, der Deckel lag daneben. Damit niemand hineinfiel, war der
Einstiegschacht ringsum mit rot-weißem Scherengitter abgesperrt.
Astrid Modderblum hatte gesagt,
sie werde pünktlich sein und mit einem kleinen, schlammfarbenen Auto kommen.
Sie kam mit elf Minuten
Verspätung. Das Auto war grau. Astrid, etwa 28 Jahre alt, stieg aus. Sie trug
eine Art Blaumann aus grünem Gummi, Gummistiefel und einen Schutzhelm in Rot,
der nicht ganz
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