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Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Titel: Im Schlauchboot durch die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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wurden also nicht bemerkt, als der Mercedes vorbeifuhr.
    »Die nehmen jetzt Erdbewegungen
vor«, meinte Tim. Aber das hat nichts mit dem Baby zu tun. Da sind wir uns ja
einig. Was auch immer die ausgraben — sie werden es mitnehmen zum Campingplatz
oder hierher zu Otto. Wenn dein Vater mit seinen Leuten mal reinschaut, wissen
wir mehr. Vielleicht wird dann ein Fall aufgeklärt, der längst abgelegt ist und
zwischen Aktendeckeln verstaubt.«
    »Du willst also nicht raus zur
Moorweide?«
    »Ich glaube, es bringt nichts,
wenn wir die Gruftis beim Buddeln beobachten. Aber ich kann mir vorstellen,
dass in diesem Häuschen das Baby versteckt ist.«
    Gaby nickte und pustete gegen
ihre Ponyfransen. »Die Enkelin, die gleich kommt, ist sicherlich die uns vom
Foto her bekannte Matilde. Also kein Teenie, sondern eine junge Frau, die mit
Otto gemeinsame Sache macht. Ich meine: als Betreuungsperson für das Baby. Otto
kann das bestimmt nicht: Flasche geben, füttern, Windeln wechseln, Po eincremen
und so weiter. Am besten kann das eine Frau. Auch ein junger Vater kann’s
lernen. Aber Otto ist ungeeignet. Das sagt mir meine weibliche Eingebung.«
    »Da hast du sicherlich Recht.«
Tim grinste. »Mir würde so was Spaß machen. Am meisten natürlich beim eigenen
Baby.«
    »Damit hat unser Jahrgang noch
Zeit«, sagte Gaby und zog sich die Kapuze ins Gesicht.
    Tim spähte zum Haus. Otto hatte
längst die Tür geschlossen. Aber in diesem Moment keuchte ein italienischer
Kleinwagen — betagt und angerostet — heran. Er hielt genau dort, wo der
Mercedes gestanden und auf der regenfeuchten Straße ein trockenes Rechteck
hinterlassen hatte.
    Eine junge Frau stieg aus. Es
war Matilde. Blasses Gesicht, ein verwaschenes Blond unterm Topfhut,
Sommersprossen. Sie wirkte verhuscht. Als sie durch die Pforte zum Haus eilte,
fiel Tim auf, dass mit ihrem linken Bein was nicht in Ordnung war. Ein leichtes
Humpeln.

    »Die Enkelin«, sagte Gaby. »Ja,
der traue ich zu, dass sie die kleine Susi versorgt.«
    »Vielleicht kann ich was
auskundschaften. Ich schleich mal ums Haus. Mit so viel Hinterlist rechnen die
nicht. Und die Nachbarn können mich nicht sehen. Weil der Garten dort aussieht
wie ein weißer Fleck auf der Regenwald-Landkarte.«
    »Sei vorsichtig«, lächelte
Gaby. »Vielleicht gibt es Schlangen.«
    »Wartest du hier oder in dem
kleinen Café vorn an der Ecke?«
    »Natürlich hier, Häuptling. Wer
sonst soll dir den Rücken frei halten.«
    »Nichts ginge ohne dich«,
murmelte Tim und küsste seine Freundin auf die Wange.

14. In seelischer Not
     
    Der Zwischenfall hatte alles
geändert. Die Besichtigung der Kläranlage würde später stattfinden. Karl und
Klößchen hätten es nie zugegeben. Aber im Augenblick waren sie froh darüber.
Die kurze Schlauchbootfahrt durch die Unterwelt hatte die Riechorgane geradezu
geschunden. Und die Gefahr, in die Abwasserbrühe zu fallen, zerrte auch in der
Erinnerung noch an den Nerven.
    Jetzt standen die Jungs beim
Gully-Einstieg in der Blaubaum-Straße, einer zum Glück wenig befahrenen
Einbahnstraße. Zurzeit null Autoverkehr.
    Astrid Modderblum und ihr
Freund Markus Schlickpumpe waren total von der Rolle. Auch Markus war
Abwassermeister und vom Typ her ein zupackender Fachmann. Fast im Alleingang
hatte er ein Seil an der nackten Gestalt befestigt und sie dann durch den Gully
ans Tageslicht gezogen. Eine Plane war nun über den längst verstorbenen
Farbigen gebreitet. Die anfängliche Vermutung, dass es sich um ein Verbrechen
handeln könnte — um Mord oder Selbstmord — , war inzwischen außen vor.
    »Ich fasse es nicht«, rief
Astrid immer wieder. »Das ist der stärkste Fund im Kanal. Ein weißer Wal hätte
mich weniger verwundert.«
    »Wahnsinn!«, nickte Markus.
»Der helle... nein, ein dunkler, ein farbiger Wahnsinn! Wer entsorgt so was...
so einen, meine ich. Wer wirft eine Mumie weg. Denn das ist es doch wohl. Eine
Mumie — aber ohne Umwicklung.«
    »Wir sind fast über ihn
gefahren«, berichtete Karl mit blasser Miene. »Im letzten Moment hat Klößchen
die Ruder gefunden. Er saß darauf. Wir konnten zur Seite paddeln und dann
zurück zum Gully. Heh, Astrid! Was ist mit Ihrer Pizza?«
    »Schon gegessen«, lächelte sie.
»Was machen wir jetzt?«
    Klößchen fand wieder zu sich
und schob ein großes Stück Schoko zwischen seine Zähne.

    Karl hatte seine Überlegung
abgeschlossen.
    »Dieser... Mensch«, er deutete
auf die Umrisse unter der Plane, »ist zweifellos ein Aborigine gewesen,

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