Im Schlauchboot durch die Unterwelt
so grell war wie ihr rotes Haar. Das war hoch gesteckt. Aber
hinten und an den Seiten hingen Strähnen hervor.
Lächelnd winkte sie über die
Straße, eine etwas dralle Person mit hübschem Gesicht.
»Für die muss es hart sein,
jeden Tag in dem Mief zu jobben«, meinte Klößchen. »Mal sehen, wie sie aus der
Nähe riecht.«
Astrid Modderblum duftete nach
einem blumigen Parfüm. Offenbar hatte sie einen halben Liter davon in ihren
Overall gegossen. Vielleicht als Abwehrduft gegen aufdringliche Ratten.
Die Jungs stellten sich vor.
Und dann ging’s auch schon los, nämlich durch den Gully an den Sprossen hinab.
Unten war ein Schlauchboot festgebunden: Astrids Vorbereitung. Die drei stiegen
ein. Klößchen brach sofort kalter Schweiß aus.
»Vorsicht, Jungs! », warnte
Astrid. »Der Dampfer kippelt. Wer
hält die Lampe? Ohne die geht gar nichts. Vielleicht du, Karl. Ich rudere.
Klößchen sitzt hinten. Stört euch nicht an Gestank und Ratten. Und an dem
Dreck, den ihr sehen werdet. Abwässer sind nun mal Abwässer. Wir sind hier in
einem Hauptkanal. Das ist sozusagen eine breite Wasserstraße. Was hier
reinrauscht, sind Industrie-Abwässer, flüssige Haushaltsreiniger, Waschmittel,
das Schmutzwasser vom Wäschewaschen, Duschen, Baden und so weiter. Meine
Aufgabe ist die Untersuchung der Abwasserkanäle. Damit sich nirgendwo
Hindernisse bilden, Anhäufungen von scharfen Mitteln, die dann die Rohre
zerfressen. Ihr glaubt ja nicht, was hier alles landet, was die Leute durchs
Klo jagen! Nicht nur, was dort ohnehin weggespült wird, sondern auch Blumen,
Kleidung, Konservendosen, Abfälle. Als hätten wir keine Müllabfuhr. Viele Leute
sind zu bequem. Und das schafft neue Probleme.«
»Ich hab mich schon schlau
gemacht«, erklärte Karl, während sie losfuhren. »Darf ich mal vortragen.
Verbessern Sie mich, wenn was nicht stimmt. Also: Wasser gehört mit zu den
wertvollsten Gütern der Menschheit. Besonders das Trinkwasser, das nur einen
einstelligen Prozentsatz der gesamten Welt-Wassermenge ausmacht. Trotzdem gehen
die Menschen bedenkenlos damit um. In den Industriestaaten wird es regelrecht
vergeudet. Damit aber nicht alles Wasser den Bach runtergeht, haben wir für die
Städte die Kanalisation geschaffen. Und die Kläranlagen.«
»Bis jetzt ist alles richtig,
Karl.« Astrid lachte. »Und was weißt du vom technischen Ablauf?«
Karl hielt die Lampe vor seiner
Brust und leuchtete in Fahrtrichtung. Abscheulicher Gestank, Ratten. Das
schwankende Schlauchboot. Alles in allem sehr ungemütlich.
Hier wimmelt es von Bakterien,
von Krankheitskeimen, dachte er. Wenn wir in die Brühe fallen, sind wir
verseucht.
Er verdrängte den Gedanken und
fuhrt fort: »Der Hauptkanal mündet beim Hebewerk. Dort gibt es eine
Schneckenpumpe — so eine metallische Drehleiter. Die schraubt das ganze
Abwasser nach oben ins Klärwerk. Erste Station ist der Rechen. Dort werden die
größten Dreckbrocken aus der Brühe herausgeharkt. Feste Dinge, die eigentlich
nicht ins Abwasser gehören. Die nächsten Stationen für das Schmutzwasser sind
zwei große Becken: der Sandfang und dann das Vorklärbecken. Es folgen
Belebungsbecken und Nachklärbecken. Jedes hat seine eigene Funktion, um das
Schmutzwasser zu säubern. Dabei entsteht zum Beispiel der Klärschlamm, den
einige Experten für gute Düngemittel halten. Andere halten ihn für gefährlich
und haben sicherlich Recht. Tja, und nachdem das Schmutzwasser alle Verfahren
durchlaufen hat, ist es wieder sauber.«
»Wie Trinkwasser?«, fragte
Astrid scheinheilig.
»Nein! Aber man kann es in die
Flüsse einleiten — ohne dass Fische, Frösche oder Insekten die Flucht
ergreifen.«
»Bravo, Karl!«, lobte Astrid.
»Sobald wir in der Kläranlage sind, werde ich euch alle Vorgänge zeigen. Das
ist ein Riesending. Aber erst mal halten wir beim Gully Blaubaum-Straße. Dort
steige ich mal kurz an die Oberwelt.«
»Wird Ihnen übel — wegen des
Gestanks?«, fragte Klößchen. Er hatte noch kein Stück Schokolade verspeist.
Astrid lachte. »An den bin ich
so gewöhnt — er würde mir fehlen, wenn ich in einer Parfümerie arbeiten müsste.
Nein, ich will mich mit meinem Freund treffen. Markus wartet dort oben. Er hat
mir ne Pizza besorgt. Damit ich nicht verhungere. Zum Frühstück hatte ich
nämlich nur eine Tasse Tee und nen Apfel. Eigentlich will ich ja abnehmen. Aber
zu dem Entschluss stehe ich immer nur bis mittags.«
»Ich fasse solche Entschlüsse
gar nicht erst«, meinte Klößchen.
Dann
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