Im Schloss der Leidenschaft
kurzen Moment wusste sie wieder, wo sie war, und drehte rasch den Kopf, doch sie lag allein im Bett. Ihr Blick glitt zur Uhr. Entsetzt sprang sie eine Sekunde später aus dem Bett und lief in das angrenzende Bad. Wie, in aller Welt, hatte sie nur bis zehn Uhr schlafen können? Und warum hatte sie niemand geweckt? Sofort wanderten ihre Gedankten zu Jean-Claude, undsie hoffte inständig, dass er sich bei Liz wohlfühlte. Damit hatte sie ihre erste Gelegenheit verpasst, um Luc mit ihren Fähigkeiten als Mutter zu beeindrucken.
Nach einer Blitzdusche musste sie feststellen, dass ihre Garderobe nichts Passendes für die Rolle einer Schlossherrin hergab. Ein kleiner Teufel in ihr bewog sie schließlich dazu, verwaschene Jeans anzuziehen, die ihre Beine wie eine zweite Haut umschlossen, und dazu ein pinkfarbenes T-Shirt mit der Aufschrift KLEINES LUDER. Wenn es Luc nicht gefiel, war das sein Problem.
„Wo ist Jean-Claude?“, fragte sie als Erstes, als sie in den Frühstücksraum kam und Luc sie kühl musterte.
„Liz geht mit ihm im Garten spazieren. Er wurde langsam ungeduldig“, fügte er vielsagend hinzu, woraufhin Emily errötete.
„Ich kann nicht fassen, dass ich derart verschlafen habe. Normalerweise wache ich bei Sonnenaufgang auf.“
„Aha.“ Sein Ton machte deutlich, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass sie jemals vor Anbruch der Mittagszeit aufwachte. Daraufhin verkrampfte sie sich innerlich. Jean-Claude schlief erst seit ein paar Wochen durch, und seitdem holte ihr Körper den verlorenen Schlaf nach.
„Ganz offensichtlich hast du nie um drei Uhr morgens versucht, ein Baby zu beruhigen, das Bauchschmerzen hat“, schnaubte sie, woraufhin er ihr nur einen Blick über den Rand der Zeitung zuwarf.
„Nein, diese Chance habe ich nie bekommen.“
Also sind wir wieder bei den alten Feindseligkeiten angekommen, dachte sie, als sie am Frühstückstisch Platz nahm und Simone dankbar anlächelte, die ihr eine dampfende Tasse Kaffee reichte.
„Es gibt Brot und Croissants, und Sylvie kann dir auch etwas kochen“, murmelte Luc, doch sie schüttelterasch den Kopf. Allein beim Gedanken an Essen bekam sie Magenschmerzen.
„Kaffee reicht.“
„Du musst essen“, meinte er, hielt dann aber inne. „Obwohl vielleicht nicht allzu viel, sonst platzt du noch aus deinen Kleidern, und die lassen bereits kaum Platz für Fantasie.“
Was sie auf diese unverschämte Aussage erwidern sollte, wusste Emily nicht. Daher machte sich ein Schweigen zwischen ihnen breit, das sie als extrem unangenehm empfand.
„Könnte ich mir vielleicht ein Auto ausleihen?“, fragte sie schließlich.
Luc warf ihr einen misstrauischen Blick zu. „Ich fürchte nein“, antwortete er höflich, doch sie traute seinem Lächeln nicht. Es erinnerte sie an einen Alligator, der träge im Wasser lag, kurz davor, seine ahnungslose Beute zu packen. „Wohin musst du fahren? Alles, was du oder Jean-Claude brauchen könntet, gibt es hier im Château.“
„Trotzdem würde ich gern ins Dorf fahren oder gelegentlich die nächste Stadt besuchen. Wenn es dich beruhigt, lasse ich Jean-Claude solange bei seinem Kindermädchen“, erwiderte sie ungeduldig. „Obwohl du mich hier wirklich nicht auf immer und ewig als Gefangene halten kannst.“
„Ich bin nur neugierig, warum du unbedingt ins Dorf fahren willst“, entgegnete er, „es sei denn, es hat etwas mit dieser verrückten Idee zu tun, dass du dein eigenes Geschäft aufziehen willst.“
„Natürlich möchte ich anfangen, mich nach einem Atelier oder zumindest einem geeigneten Arbeitsraum umzusehen. Es muss auch gar nichts Besonderes sein“, fuhr sie fort, als er die Stirn runzelte, „aber groß genugfür ein paar Schneidetische und Nähmaschinen.“
„Du willst es also tatsächlich machen?“, meinte er. „Dann wollen wir hoffen, dass es Jean-Claude nicht betrübt, wenn du ihn im Stich lässt.“
„Ich habe nicht vor, ihn im Stich zu lassen!“ Emily sprang auf und umrundete den Tisch, bis sie vor ihm stand. „Alles, was ich tue, wird keine Auswirkung auf seinen Alltag und sein Glück haben. Ich habe dir gesagt, dass er an erster Stelle steht.“
„Solltest du dich in diesem Fall nicht darauf konzentrieren, dich so bald wie möglich im Château einzuleben, damit wir drei als Familie Zeit miteinander verbringen können?“, fragte er, seine Stimme war plötzlich weich wie Samt. Bei der Wärme, die sie in seinen Augen sah, musste sie schlucken. In den ausgewaschenen Jeans und dem
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