Im Schloss des spanischen Grafen
lebten alle Selbstzweifel, Unsicherheiten und Reuegefühle wieder auf. Dabei hatte sie geglaubt, das alles in dem Moment zurückgelassen zu haben, als sie es aufgegeben hatte, seine Frau zu sein …
3. KAPITEL
Leise zog Jemima die Haustür hinter sich zu. Donnerstagabends passte ein Babysitter auf Alfie auf, denn dann ging sie zusammen mit Flora zur Chorprobe. Normalerweise freute Jemima sich immer auf einen Abend im Kreise von Freunden und Bekannten, doch in letzter Zeit – seit zwei Wochen, um genau zu sein – schien sich die schlechte Laune permanent bei ihr eingenistet zu haben.
„Lach doch mal wieder“, versuchte Flora, die Freundin auf dem Weg zu der kleinen Kirche aus dem Mittelalter, die so viel zum typischen Flair von Charlbury St Helens beitrug, aufzumuntern. „Du lässt dir diese Geschichte mit dem Vaterschaftstest viel zu tief unter die Haut gehen. Das ist ungesund.“
Jemima schaute die Freundin entschuldigend an. „Ich kann nichts dafür, ich fühle mich, als wäre ich öffentlich erniedrigt worden.“
„Sowohl der Notar als auch der Arzt sind zur Verschwiegenheit verpflichtet“, versicherte Flora ihr. „Ich bezweifle, dass sie damit hausieren gehen, vor allem, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die vielleicht bald vor einem Familienrichter landet.“
Wirklich überzeugt war Jemima nicht, aber sie wusste, die Freundin wollte sie nur trösten und zuversichtlich stimmen. Sie wollte mit dem Thema auch nicht langweilen, aber die Tests waren eine Prozedur gewesen, bei der ihre Privatsphäre und ihre persönlichen Grenzen völlig ignoriert worden waren. Wenn solche Tests für ein mögliches Gerichtsverfahren verlangt wurden, dann mussten sie auch genau nach den Regeln ausgeführt werden.
Ein überheblicher Londoner Anwalt hatte im Auftrag von Alejandro angerufen und sie über die Liste der notwendigen Schritte informiert. Bei einem Notar hatte sie eine eidesstattliche Erklärung sowie Fotos abgeben müssen, um ihre Identität festzustellen, bevor Alfie und sie dann den DNA-Test vom Hausarzt hatten durchführen lassen dürfen. Eigentlich war es keine große Sache gewesen, nur ein paar Tupfer mit einem Wattestäbchen im Mund, und wenig später lag bereits das Laborergebnis vor. Dennoch hatte Jemima sich vor Scham innerlich gekrümmt, wussten Notar und Hausarzt jetzt doch, dass ihr Mann die Vaterschaft ihres Kindes anzweifelte.
Sie würde Alejandro nie verzeihen, dass er sie gezwungen hatte, diese Erniedrigung über sich ergehen zu lassen. Natürlich hätte sie sich auch weigern können. Aber eine Weigerung wäre in Alejandros Augen einem Schuldbekenntnis gleichgekommen. Außerdem war es wichtig, dass Alfies Vater die Wahrheit kannte. Um Alfies willen durfte es keine Zweifel geben. Deshalb hatte sie den Tests zugestimmt.
Sie waren bei der Kirche angekommen. Jemima zwang sich zu einem unbeschwerten Lächeln und winkte grüßend den bekannten Gesichtern zu. Das Singen im Chor und der Solopart, den sie mit ihrer klaren Sopranstimme bestritt, halfen ihr, auf andere Gedanken zu kommen. Bis sie am Ende der Probe dabei half, die Stühle wieder zusammenzustellen, fühlte sie sich schon wesentlich lockerer. Fabian Burrows, einer der hiesigen Ärzte und zudem ein sehr attraktiver Mittdreißiger, griff nach ihrer Jacke und half ihr hinein, bevor sie etwas einwenden konnte.
„Du hast eine wirklich wunderschöne Stimme“, sagte er.
„Danke.“ Bei seinem Kompliment errötete sie leicht.
Fabian fiel an ihrer Seite in ihren Schritt mit ein. „Hast du noch Lust auf einen Drink?“
„Ja.“
„Wie wäre es mit dem Red Lion?“, schlug er vor, als Flora sich am Kirchenportal zu ihnen gesellte. Die anderen Chormitglieder überquerten bereits die Straße in Richtung des beliebten Pubs.
„Danke, aber ich bin mit Flora da“, erwiderte sie leichthin.
„Ihr seid mir beide herzlich willkommen.“
Jemima schaute zu der Freundin und wusste nicht, wie sie die tiefe Falte auf Floras Stirn zu deuten hatte. Hieß das, dass Flora die Einladung annehmen wollte, oder nicht?
„Ich fürchte, der heutige Abend passt nicht gut“, meinte Flora jetzt steif und hielt den Blick übertrieben starr auf die Straße gerichtet.
Jemima, die Floras Blick folgte, bemerkte zuerst den geparkten Sportwagen, dann sah sie den Mann, der mit verschränkten Armen an der Kühlerhaube lehnte und ganz offensichtlich auf sie wartete. Erst war sie entrüstet, dann schäumte Ärger in ihr auf. Hatte sie Alejandro nicht
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