Im Schloss des spanischen Grafen
schweige. Wenn du ihm nicht die Wahrheit sagst, werde ich es tun.“
Bange Unruhe schlich sich in die jungenhaften Züge, Marco machte einen Schritt vor. „Du hast versprochen, mein Geheimnis zu wahren.“
Jemima hob ihr Kinn, die Verärgerung stand deutlich in ihren Augen zu lesen. „Da wusste ich noch nicht, wie viel Schaden dein Geheimnis meiner Ehe zufügen würde. Sicher kannst du doch jetzt endlich ehrlich zu deiner Familie sein? Familien haben schon viel schlimmere Nachrichten überstanden.“
„Für meine Mutter könnte es keine schlimmere Eröffnung geben als die, dass die Liebe meines Lebens ein Mann ist und keine Frau“, widersprach Marco mit böse gerunzelter Stirn. „Hast du ihre Meinung über Homosexualität jemals gehört?“
Jemima nickte. „Ja, ihre Vorurteile sitzen tief. Aber das wird sich ändern, wenn du offen zu ihr bist und ihr die Möglichkeit gibst, zu verstehen, wer du wirklich bist.“
„Du machst Witze!“ Zornesröte war auf seine Wangen gezogen. „Sie wirft mich hinaus und streicht mir die finanzielle Zuwendung!“
Jemima musterte Marco mit zusammengekniffenen Augen. „Ich wusste gar nichts von dieser Zuwendung.“
In Marcos Stimme lag Trotz. „Glaubst du etwa, ich könnte meinen komfortablen Lebensstil von einem schlichten Monatsgehalt finanzieren?“
Steif trat Jemima zur Seite. „Deine finanzielle Situation geht mich nichts an, Marco. Ob du es deiner Mutter sagst oder nicht, interessiert mich ebenfalls nicht. Aber Alejandro geht mich etwas an. Ich erwarte von dir, dass du ihn wissen lässt, dass du schwul bist. Dann wird er endlich verstehen, wie undenkbar eine Affäre zwischen uns ist.“
Marco schleuderte ihr einen hasserfüllten Blick entgegen. „Ich werde es Alejandro nicht sagen. Den einzigen Homosexuellen in seinem Unternehmen hat er gefeuert.“
„Ja, weil der Mann sein Personal unmöglich behandelt hat. Erst hat er mehrere Warnungen erhalten und danach schließlich Abmahnungen, bevor er gehen musste. Alejandro hat nie ein Wort gesagt, aus dem sich schließen lassen würde, dass er etwas gegen Homosexuelle hat. Marco, ich bitte dich hier nicht, es zu tun, sondern ich fordere dich dazu auf. Wenn du es nicht tust, dann mache ich es. Ich muss dein Geheimnis nicht wahren, wenn es meine Ehe und die Zukunft meines Kindes ruiniert.“
„Du erpresst mich“, warf er ihr wütend vor.
„Nach dem, was du getan hast, schulde ich dir weder Erklärung noch Entschuldigung. Ich schulde dir rein gar nichts.“
Marco erkannte, dass es ihr todernst war, und verlor die Beherrschung. Er begann, lautstark zu fluchen, riss die Tür auf und stürmte an der verdutzten Haushälterin vorbei zum Schloss hinaus.
Jemima versuchte, sich weiter auf das Arrangieren der Blumen zu konzentrieren, doch immer wieder musste sie an die frühere Freundschaft mit Marco denken. Erst heute hatte sie etwas erfahren, das ein völlig anderes Licht auf Marco warf. Wenn er finanziell von seiner Mutter abhängig war, wäre ein Geständnis sicherlich ein harter Schlag für sein Portemonnaie. War Geld etwa der alleinige Grund für sein Schweigen gewesen?
Für die Freundschaft mit ihrem Schwager hatte sie einen hohen Preis bezahlt. Marco hatte sie als Alibi benutzt, wenn er sich in der Öffentlichkeit mit einer Frau zeigen musste. Dario, sein italienischer Freund, war natürlich immer dabei gewesen, wenn sie ausgegangen waren. Wo waren nur ihre Ehrlichkeit und Offenheit geblieben, auf die sie immer so stolz gewesen war? Praktisch von Anfang an hatte sie Geheimnisse vor ihrem Ehemann gehabt!
Jemimas Gedanken wanderten automatisch in die Vergangenheit zurück. Sie sollte sie besser ruhen lassen. Für einen Moment wäre Alejandro wohl dankbar, wenn sie ihm gestand, was sie mit all dem vielen Geld gemacht hatte, aber keine fünf Minuten später würde er sie in einem ganz anderen, wenig schmeichelhaften Licht sehen und sich wünschen, sie hätte den Mund gehalten – weil ihm dann endgültig vor Augen stünde, welch unpassende Frau er geheiratet hatte. Einen solchen Schlag würde ihre Ehe bestimmt nicht überstehen.
Beatriz betrat den Raum. Erst nachdem sie die vorgenommenen Änderungen gebührend bewundert hatte, kam sie vorsichtig auf Marco zu sprechen.
„Er kann manchmal sehr aufbrausend sein, aber wenn man nicht auf seine Launen eingeht, beruhigt er sich auch schnell wieder. Doña Hortencia hat ihn immer viel zu sehr verwöhnt.“
Maria klopfte an die Tür, um Jemima eine Nachricht
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