Im Schloss des spanischen Grafen
offensichtlich für ihn beendet. Verächtlich verzog er den Mund. „Selbst von dir hätte ich nicht gedacht, dass du so tief sinkst.“
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Soviel ich verstanden habe, ist Marco noch immer mit Dario Ortini zusammen.“ Ein letzter Versuch, um ihn zu überzeugen …
„Natürlich. Sie sind alte Freunde, sie haben zusammen studiert.“
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Sie sind weit mehr als nur Freunde, Alejandro. Die beiden sind ein unzertrennliches Paar. Findest du es nicht auffällig, dass Dario zusammen mit Marco nach New York gegangen ist?“
Er öffnete den Mund, bereit, es abzustreiten, doch dann zog er plötzlich die Brauen zusammen und schloss die Lippen wieder. Jemima konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, und während die Stille länger und länger dauerte, verfolgte sie mit, wie sich erst Verständnislosigkeit, dann verärgerte Ungläubigkeit und schließlich sorgenvolle Akzeptanz auf seiner Miene widerspiegelten.
„Ich fasse es nicht“, murmelte er. „Ehrlich gesagt, bei Dario überrascht es mich nicht. Aber ja, ihre lange enge Freundschaft gibt zu denken.“ Er hatte mit völliger Bestürzung zu kämpfen. „Mein Bruder hat scheinbar jahrelang ein Doppelleben geführt. Por Dios. Warum hat er es mir denn nicht einfach gesagt? Etwa aus Angst, ich würde dann weniger von ihm halten? Das ist mir doch völlig egal, er wird immer mein Bruder bleiben. Und warum, zum Teufel, hat er mich in dem Glauben gelassen, er hätte mit dir geschlafen?“
Jemima strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Er ist eifersüchtig auf dich. Neidisch auf alles, was du im Leben erreicht hast“, äußerte sie zögernd.
„Ja … eigentlich war er immer von einem enormen Konkurrenzdenken beherrscht, sobald er mit mir zu tun hatte“, meinte Alejandro nachdenklich.
„Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, die Überzeugung in dir zu nähren, er und ich hätten eine Affäre gehabt. Aber das wirst du mit ihm besprechen müssen, nicht mit mir.“
„Im Moment brauche ich erst mal einen anständigen Drink.“ Mit energischen Schritten ging Alejandro zum Barschrank. „Du auch?“, fragte er und schenkte zwei Gläser ein.
Mit unsicheren Fingern nahm sie den Whisky von ihm an. Sie merkte, wie angespannt Alejandro war, unter seiner Sonnenbräune wirkte er regelrecht fahl. „Alles in Ordnung mit dir?“
„Nein“, gab er tonlos zu. „Ich bin wie erschlagen. Mein Bruder ist schwul, und ich habe nie auch nur den kleinsten Verdacht gehabt.“
„So wollte Marco es auch. Niemand aus der Familie sollte es wissen.“
„Meine Stiefmutter wird einen Anfall bekommen.“ Aufgewühlt fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar, lenkte dann den Blick zu Jemima zurück. „Doch im Moment ist es viel wichtiger, was ich dir und unserer Ehe angetan habe. Ich habe dich zu Unrecht verurteilt und mich geweigert, dir zu glauben.“
Jemima zuckte unbeholfen die Schultern. „Ich bin nur froh, dass du jetzt die Wahrheit kennst und akzeptierst.“
„Er hat dich benutzt, um mir eins auszuwischen. Ich hätte mehr Vertrauen in dich haben müssen.“ Alejandro stürzte seinen Drink hinunter und setzte das Glas hart ab. „Lass uns zum Essen ausgehen.“
Der abrupte Umschwung überrumpelte sie. Aber das war Alejandros Art, um Fassung und Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Er frustrierte sie ständig, weil er seine Gedanken und Gefühle nicht mit ihr teilen wollte. Sie wollte sich in seine Arme werfen und ihm sagen, dass sie ihm leicht verzeihen konnte, weil sie ihn so sehr liebte, doch das wäre ihm kein Trost. Er stellte hohe Ansprüche, auch an sich selbst, und er hatte den eigenen Ansprüchen nicht genügt. Damit musste er erst einmal fertigwerden – auf seine Art.
Sie gingen in ein kleines Restaurant ganz in der Nähe. Das Essen war köstlich, der Wein vollmundig, und Alejandro hatte seine eiserne Selbstkontrolle wieder vollständig hergestellt. Kein Wort über seinen Bruder kam ihm über die Lippen. Im Schein der flackernden Kerzen streckte Jemima die Hand über den Tisch und legte sie auf Alejandros, und er ergriff ihre Finger und drückte sie fest.
„Sag jetzt nichts“, bat er rau. „Deinen Zorn ertrage ich leichter als dein Mitgefühl, tesora mía.“
Es war wohl angebracht, das Thema zu wechseln, also fragte Jemima ihn, wann er die Wohnung renoviert habe.
„Kurz nachdem du weggegangen bist. Jedes Mal, wenn ich durch die Tür kam, erwartete ich, dass du da sein
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