Im Schloss unserer Liebe
geriet. „Unter dem kleinen Zelt könntest du ein Hundebaby verstecken.“ Das klang fast hoffnungsvoll.
„Deine Mama braucht gar nichts zu verstecken“, sagte Rafael, bevor er sich wieder dem Waschbecken zuwandte. Dann besann er sich und schaute Kelly schalkhaft an. „Wollen wir nicht lieber gleich zu den Goldminen gehen?“
„Und der Abwasch?“
„Vielleicht habe ich zu viel Spülmittel ins Wasser gegeben. Am besten wir verschwinden, schließen die Tür hinter uns ab und hoffen, dass der Schaum uns nicht bis in die Minen verfolgt.“
Matty und Rafael genossen die Besichtigung.
Kelly kannte das Gelände in- und auswendig. Sie wanderte mit ihnen durch den kleinen Ort, hinunter zum Flüsschen, wo Touristen Gold wuschen. Dort zeigte sie den beiden, wie man ein Zinnsieb benutzte, setzte sich auf einen Baumstumpf und sah ihnen zu.
Wie ähnlich sie sich waren!
Ihr Sohn nannte Rafael zwar Onkel, doch waren sie nicht eigentlich Cousins zweiten Grades? Und verhielten sie sich nicht eher wie Vater und Sohn?
Matty liebte Rafael und vertraute ihm grenzenlos. Versunken und emsig arbeiteten sie Seite an Seite, die Köpfe über die Siebe gebeugt.
Was für ein Mann war Rafael eigentlich, dieser Prinzregent von Alp de Ciel?
Viel dringlicher aber sollte sie sich mit der Frage beschäftigen, welche Richtung ihr Leben nahm.
Sie hatte ihr Kind zurückerhalten. Doch Matty war inzwischen ein Junge mit engen Bindungen zu anderen Menschen geworden. Sie gehörte nicht zu ihnen.
Wie sollte sie entscheiden?
Wenn sie ihn hierbehielt?
Matty betrachtete jetzt versonnen seinen Daumen. Vielleicht klebte ein Körnchen Gold daran.
Ja, er sollte hier bei ihr aufwachsen. Sie würde ihn versorgen. Hier auf dem Museumsgelände könnte er eine unbeschwerte Kindheit verbringen. Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen hatten Kinder, die das ganze Gelände als ihren Spielplatz betrachteten. Zu dieser Rasselbande würde er gehören, auch hier zur Schule gehen. Sie würde ihn …
… versteckt halten?
So, wie sie sich versteckt gehalten hatte und immer noch versteckte? Geschützt von Reifröcken und Hauben hatte sie hier eine Möglichkeit gefunden, der Welt und sich selbst zu entrinnen.
Die Kelly von früher, die sich vertrauensvoll in die Arme von Prinz Kass begeben hatte, die mit ihm in der Morgendämmerung ausgeritten war und die Welt hätte umarmen können, diese Kelly lebte seit Jahren weggesperrt.
Ja, sie versteckte sich. Aber es gab sie noch irgendwo, diese junge Frau, die sich nach Aufregung, Abenteuer und Romantik sehnte. Doch die vernünftige Kelly passte auf, dass sie nicht zum Vorschein kam.
Pete, der Sicherheitsbeamte, lief jetzt auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Kelly erhob sich und stellte sich schützend vor ihren Sohn.
„Was ist los?“, rief sie Pete entgegen. Rafael sah auf, legte sein Sieb beiseite und gesellte sich zu ihr.
„Presse und Fernsehen belagern das Tor“, sagte Pete außer Atem. „Die Leute haben in der Verwaltung gefragt, wo sie den Prinzregenten von irgendeinem Land finden. Diane konnte ihnen keine Antwort geben, aber die Beschreibung, die sie erhalten hat, passt – auf Sie, Sir.“
„Verflixt!“ Überrascht hörte sich das nicht an.
„Wir gehen zurück ins Haus“, schlug Kelly vor.
Rafael schüttelte den Kopf. „Auch da würden sie uns finden und uns belagern. Wir würden nur Zeit verlieren.“
„Ich könnte sie hinauswerfen.“ Pete musterte ihn. „Entschuldigen Sie meine Neugier, aber sind Sie wirklich ein Prinz?“
„Ja, leider“, gab Rafael zu und sah zerknirscht aus. „Die Reporter werden sich nicht abwimmeln lassen. Das Freilichtmuseum steht jedem offen. Ich muss mich ihnen stellen. Könnten Sie und Matty sich unter die Touristen mischen, Kelly?“
„Natürlich. Aber hinter mir sind sie doch nicht her?“ Angst kroch in ihr hoch. Vor fünf Jahren war sie von den Medien gejagt worden. Überall hatte man nach ihr gesucht. Als böse Prinzessin verunglimpft, hatte sie sich wie Freiwild gefühlt.
„Noch nicht“, sagte Rafael. „Jedenfalls hoffe ich das. Wahrscheinlich sind sie nur mir auf die Spur gekommen. Matty vermuten sie gewiss daheim im Schloss in Alp de Ciel. Und niemand außer meiner Mutter weiß, dass ich hier bin, um Ihnen das Sorgerecht für Matty anzutragen.“
„Was geht hier eigentlich vor?“, mischte sich nun Pete ein und machte ein grimmiges Gesicht.
Kelly wusste, dass mehr Fragen in ihm rumorten, als er auf einmal stellen konnte.
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