Im Schloss unserer Liebe
fleißig, Mathieu und ich. Wir haben im Hotel geduscht und uns umgezogen. Danach waren wir bei der Museumsverwaltung. Die Dame dort, ich glaube, sie heißt Diane, war schon um acht Uhr da.“
„Sie haben ihr doch nicht etwa …“
„Wir haben ihr erzählt, dass wir Verwandte sind“, beschwichtigte er sie. „Diane sorgt sich übrigens auch um Ihren Gesundheitszustand.“
„Diane ist immer besorgt wie eine Glucke“, wehrte Kelly ab. „Danke für ihre Bemühungen, aber ich muss …“
„Gar nichts müssen Sie, außer uns das Gelände zeigen“, unterbrach Rafael sie. „Matty ist ganz wild darauf, in die Goldmine zu steigen. Wollen wir das als Erstes tun?“ Er lächelte sie entwaffnend an. „Oder möchten Sie lieber im Bett bleiben und sich richtig ausschlafen? Matty und ich könnten uns natürlich auch allein alles ansehen.“
Nein, um Himmels willen. Sie wollte die Decke zurückschlagen und aus dem Bett springen, doch Rafael hielt sie zurück.
„Erst frühstücken Sie in Ruhe zu Ende. Matty und ich haben auch noch nicht gefrühstückt. Sie brauchen sich nicht zu beeilen. Wir haben alle Zeit der Welt.“
„Wirklich?“
Sein Lächeln erstarb. „Nein“, gab er zu. „Aber heute möchte ich so tun, als wäre es so. Bitte spielen Sie mit. Nach dem Frühstuck suchen wir Gold. Ja?“
Ich dachte, meine Mutter trägt ein hübsches Kleid. Mattys Worte im Ohr, zog Kelly ihr Lieblingskleid an.
Meist arbeitete sie im Verwaltungsgebäude. Sie recherchierte, kümmerte sich um neue Ausstellungsstücke, prüfte, ob die auf der Internetseite angebotenen Waren in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts passten. Sie arbeitete mit den Ingenieuren zusammen, wenn es darum ging, alte Schürftechniken modernen Sicherheitsanforderungen anzupassen. Sie untersuchte Gerätschaften, die gefunden, käuflich erworben oder dem Museum gestiftet worden waren.
Wenn sie das Gelände verließ, was selten vorkam, zog sie das, was die Belegschaft ironisch Zivilgarderobe nannte, an. Auf dem Museumsgelände trug sie, wie alle Angestellten, Kleidung, die in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts passte.
Kelly mochte diese Kostümierung. Weniger die steifen, derben Lederstiefel und groben Arbeitskittel, die sie für ihre recht seltenen Besuche in den Minen brauchte, dafür umso mehr ihre Kleider mit den langen, weiten Röcken, die Schultertücher und Hauben. Sie standen ihr gut und versetzten sie in eine vergangene Zeit.
Heute trug sie für ihren Sohn ein blassblaues Kleid aus Musselin, das sie selbst an langen Winterabenden bestickt hatte. Dazu wählte sie ein Schultertuch in einem dunkleren Blau. Ihre kastanienbraunen Locken steckte sie hoch, setzte eine Haube auf und verschlang die dreifarbigen Bänder unterm Kinn zu einer Schleife. Als sie fertig gekleidet war, kniff sie sich in die Wangen, wie es früher die Mädchen und Frauen taten, um eine frische Gesichtsfarbe vorzutäuschen. Ihr Sohn, für den sie sich so hergerichtet hatte, würde das sicher nicht bemerken.
Aber Rafael vielleicht.
Plötzlich ärgerte sie sich über sich selbst. Für Rafael hatte sie sich nicht hübsch gemacht. Nie wieder würde sie sich für einen de Boutaine hübsch machen. Mit dieser Familie hatte sie nichts mehr zu tun.
Und erneut musste sie sich daran erinnern, dass auch ihr Sohn ein de Boutaine war, ja sogar das künftige Oberhaupt dieses Fürstengeschlechts. Wie sollte sie sich jemals damit abfinden?
Rasch griff sie nach einem Körbchen, das die Handtasche ersetzte, und öffnete die Tür zur Küche.
Sie waren dabei, Geschirr zu spülen. Rafael wusch, Matty trocknete ab. Der Mann stand mit aufgekrempelten Ärmeln am Porzellanbecken, das eine mächtige Seifenkrone trug. Der Junge rieb den Schaum von den Tellern. Ein paar Flöckchen waren an seiner Nase hängen geblieben.
Und wieder musste Kelly tief durchatmen und schlucken, weil die Anziehungskraft der beiden ihr die Luft nahm.
Da hatten der Mann und das Kind sich auch schon umgedreht und sahen sie bewundernd an.
„O, là, là“, rief Matty.
„Wow“, sagte Rafael.
Kelly wurde verlegen. „Etwas anderes habe ich nicht zum Anziehen.“
„Meine Mama ist hübsch“, jubelte der Junge. „Findest du das auch, Onkel Rafael?“ „Aber sicher. Moderne Männer wissen gar nicht, was ihnen entgeht.“ Kelly lachte. „Unter den Reifen lässt sich alles Mögliche verbergen.“
„Reifen?“, fragte Matty. Fasziniert trat er näher und gab dem Rock einen kleinen Schubs, sodass er ins Schwingen
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