Im Schloss unserer Liebe
gewiegt. Doch sie wusste, dass sie ihm nicht zu nahetreten durfte. Sie war eine Fremde für ihn.
Durfte sie ihn bei sich in Australien behalten?
„Tante Laura gefällt diese Geschichte bestimmt auch“, sagte Matty und gähnte. „Kannst du sie Rafael vorlesen, wenn er kommt?“
„Ja, wenn er möchte …“
Ihr Sohn hatte seine eigene Familie.
Gab es dort einen Platz für sie?
Kelly wusste es nicht.
Rafael kam um neun Uhr abends, nachdem Kelly fast aufgegeben hatte, auf ihn zu warten. Anders, als sie erwartet hatte, kündigte er sich nicht übers Handy telefonisch an, sondern klopfte leise an die Haustür.
Als sie öffnete, stand Seine Hoheit, Prinz Rafael, Prinzregent von Alp de Ciel, vor ihr. Er trug eine nachtblaue Ausgehuniform mit glänzenden Orden an der Brust.
Instinktiv wich Kelly zurück. Kass …
„Na, sehe ich nicht großartig aus?“, spottete er, und die Ähnlichkeit mit seinem Cousin war verflogen. Kass hatte nicht einmal den Hauch von Selbstironie besessen.
„Ja, sehr hübsch.“
Er lachte. „Darf ich eintreten?“
„Nur wenn Sie allein gekommen sind.“
„Bin ich. Aber es hat mich viel Mühe gekostet hat, meine Verfolger abzuschütteln.“
„In Jeans und Anorak wären Sie vielleicht beweglicher gewesen.“
Rafael sah an sich hinab. „Gern trag ich das nicht, Kelly. Doch die Politik verlangte es heute. Und aus politischen Gründen muss ich jetzt auch mit Ihnen sprechen.“
Sie ließ ihn herein. Er zog sofort sein Jackett aus und öffnete die oberen drei Knöpfe des Hemdes. Der Prinzregent machte Feierabend.
„Warum hielten Sie es für ratsam, sich in Uniform zu werfen?“, fragte sie, als er an den Ofen trat, um sich die Hände zu wärmen.
„Wegen der Pressekonferenz und des rasch organisierten Empfangs beim Bürgermeister. Das Ganze hat eine Menge Staub aufgewirbelt.“
„Wieso?“
„Alp de Ciel ist bekannt für seine Goldvorkommen.“ Er verfiel in die offizielle Sprechweise eines Staatsoberhauptes. „Der Prinzregent interessiert sich persönlich für historische Schürftechniken. Und da wir gehört haben, dass es hier das beste Freilichtmuseum der Welt gibt, ist er inoffiziell hergereist, um sich mit ihnen vertraut zu machen.“
„Das hat Ihnen bestimmt niemand abgenommen.“
„Doch. Reporter glauben, was sie glauben wollen, wenn sich daraus Schlagzeilen machen lassen: Prinz besucht inkognito Freilichtmuseum. Prinz speist mit Vertretern der Stadt zu Abend. Prinz zieht sich früh vom Empfang zurück: Probleme mit der Zeitverschiebung.“
„Für solche Fälle haben Sie Ihre Ausgehuniform mitgenommen?“
Er wurde ernst. „Ich musste darauf vorbereitet sein, dass meine Anwesenheit entdeckt wird. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, ich bin nun mal das Staatsoberhaupt von Alp de Ciel. Nach Australien zu reisen und keine Pressekonferenz zu geben wäre als Beleidigung empfunden worden. Deshalb habe ich entsprechende Kleidung mitgebracht. Gern habe ich sie nicht angezogen, das können Sie mir glauben.“
Kelly schaute ihn skeptisch an. „Sie haben sich also entschuldigt, haben den Empfang verlassen und sind in diesem Aufzug in ein Taxi gestiegen?“
„Natürlich hat der Chauffeur des Bürgermeisters es mir übel genommen, dass ich mich nicht von ihm habe fahren lassen. Was der Taxifahrer gedacht hat, weiß ich nicht. Jedenfalls hat er sich über das großzügige Trinkgeld gefreut, als ich irgendwo in der Gegend ausgestiegen bin. Ungefähr eine Meile von hier entfernt. Ich bin neben der Straße hergegangen. In der Dunkelheit hat mich hoffentlich niemand gesehen.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Pete hat mich hereingelassen. Er wird niemandem verraten, dass ich hier bin.“
„Sie halten sich wohl für sehr schlau“, spottete Kelly.
„Allerdings.“ Er grinste jungenhaft.
„Matty möchte, dass Sie ihn wecken, um ihm Gute Nacht zu sagen.“
„Hat er Schwierigkeiten gemacht?“
„Nein.“
„Aber er hat nach mir gefragt?“
„Er liebt Sie und Ihre Mutter.“ Kelly versuchte, sachlich zu klingen.
„Es tut weh, nicht wahr?“ Er sah sie mitfühlend an.
„Ich darf nichts anderes erwarten.“
„Gewiss wird er lernen …“
„Ich glaube nicht, dass er hierbleiben kann“, flüsterte sie. Und schon kam Rafael mit großen Schritten auf sie zu und nahm ihre Hände.
„Kelly, machen Sie nicht so ein Gesicht!“
„Ich mache keins …“
„Es reißt Sie ja entzwei …“
Sie löste sich von ihm und wandte sich ab. „Nein, nein. Gehen Sie schon zu ihm,
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