Im Schutz der Nacht
Lager vor und fragte dann nach seiner Erste-Hilfe-Box. Cate stählte sich, schickte ihren plötzlich nervösen Magen zum Teufel und kniete neben ihm nieder, um ihm zu helfen.
»Was kann ich tun?«, fragte sie.
»Das weiß ich noch nicht. Lass mich erst nachsehen, wie schlimm die Verletzung ist.«
Neenah rutschte an Mr Creeds Kopf und erbleichte sichtbar, während Cal die beiden Wunden untersuchte und behutsam auf den Knochen darunter drückte. Creed verbiss sich einen Fluch, streckte den Rücken durch, und Neenah griff nach seiner Hand. Seine großen Finger schlossen sich so fest um ihre, dass sie das Gesicht verzog.
»Ich glaube, der Knochen ist angebrochen«, sagte Cal, »aber ich kann nicht spüren, dass etwas abgesplittert wäre. Ich muss nach Kugelresten suchen ...«
»Einen Scheiß wirst du!«, fuhr Creed ihn an.
»... sonst könnte sich sein Bein infizieren und absterben«, vollendete Cal den Satz.
»Schei...« Creed sah erst auf Neenah, dann auf Cate und klappte den Mund wieder zu.
»Du bist zäh, du hältst das schon aus«, erklärte Cal bemerkenswert mitleidslos. Dann sah er Cate an. »Ich brauche mehr Licht, viel mehr Licht.«
Das Licht der Kerzen und der Öllampe reichte nicht für eine Notoperation, darum postierte sich Sherry mit Cals mächtiger Taschenlampe hinter Cate und richtete den Lichtkegel auf Creeds Bein. Unter Creeds heiseren Flüchen begann Cal mit einer Pinzette aus seiner Köderbox in der Wunde herumzustochern. Er förderte einen Kugelsplitter zutage, außerdem einen Lederfetzen von Creeds Stiefel und ein winziges Stück blutdurchtränkter Baumwolle, das von einer Socke stammen musste. Als er endlich fertig war, war Creed kreidebleich und schweißnass.
Während der gesamten Prozedur hielt Neenah Creeds Hand, murmelte ihm Trost zu und wischte sein Gesicht mit einem kalten Lappen ab. Cate reichte Cal alles, wonach er fragte, und hielt anschließend einen Topf unter das Bein, während er die Wunde gründlich ausspülte. Als er zu nähen begann, wurde ihr schummrig, weshalb sie den Blick abwandte, obwohl ihr nicht ganz klar war, wieso ihr so übel wurde, nur weil sich eine Nadel durch das aufgerissene Fleisch bohrte.
Sie rätselte, wo er gelernt hatte, eine Wunde zu vernähen, woher er seine medizinischen Kenntnisse hatte, aber diese Fragen würde sie ihm ein andermal stellen.
Bald danach war die vernähte Wunde desinfiziert, man hatte Creed ein paar Antibiotika und Schmerztabletten eingeflößt, und sein Unterschenkel steckte in einem sauberen Verband.
»Morgen werde ich das Bein schienen, um den Knochen zu stützen«, sagte Cal, während er sich müde aufrichtete. »Heute Nacht wird er nirgendwo mehr hingehen.«
»Ich sorge schon dafür, dass er es gar nicht versucht«, versprach Neenah.
»Ich bin noch wach, und ich kann dich hören«, meinte Creed mürrisch, aber er sah erschöpft aus und protestierte nicht, als sich Neenah neben ihm niederließ.
»Ich brauche ein paar Stunden Schlaf«, sagte Cal und sah sich nach einer ruhigen Ecke um.
»Das lässt sich einrichten«, sagte Cate. Erst suchten sie und Sherry mehrere Decken und ein Kissen zusammen, dann nahm Cate ein paar alte Kleidungsstücke aus dem Karton, den Maureen geöffnet hatte, und arrangierte sie zu einer Art Matratze. Sie schleiften ein paar Kartons herbei, die sie zu beiden Seiten der Behelfsmatratze aufstapelten, bis sie eine provisorische Wand bildeten, und legten dann einen alten Vorhang über die Kartons, um eine Art Höhle zu schaffen, die das meiste Licht abschirmte und zumindest eine Illusion von Abgeschiedenheit schuf.
Cal sah ihnen erschöpft und nachdenklich zu. »Eine Decke auf dem Boden hätte genügt«, sagte er. »Ich habe schon unter widrigeren Umständen geschlafen.«
»Vielleicht«, belehrte ihn Cate. »Aber heute ist das nicht nötig.«
»Gute Nacht«, sagte Sherry. »Hör zu, Cal, glaub nicht, dass du alles allein machen musst. Die anderen Männer haben die Wachen bis morgen früh untereinander aufgeteilt. Du kannst länger als nur ein paar Stunden schlafen. Wenn irgendwas passiert, wecken sie dich auf.«
»Ich nehme dich beim Wort«, sagte er, und Sherry ging wieder zu den anderen.
Cate blieb verlegen stehen und wusste plötzlich nicht mehr, was sie sagen oder tun sollte. Sie murmelte: »Gute Nacht«, und wollte Sherry gerade folgen, als Cal sie am Handgelenk packte. Sie erstarrte, sah ihn an und war außerstande, den Blick abzuwenden. Unvermittelt begann ihr Herz gegen das Brustbein zu
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